Lehrreich und sinnvoll, aber brotlos.

Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)

  • Studieninhalte
    5.0
  • Dozenten
    5.0
  • Lehrveranstaltungen
    4.0
  • Ausstattung
    5.0
  • Organisation
    5.0
  • Literaturzugang
    5.0
  • Digitales Studieren
    5.0
  • Gesamtbewertung
    4.9
Hallo!

Ich bin per Zufall auf diese Seite gestoßen und habe die Bewertungen entdeckt. Interessant zu lesen, was andere Studierende dieses Faches so denken.
Ich möchte an dieser Stelle meine eigenen Erfahrungen teilen und auf einige Meinungen meiner Vorredner*innen eingehen.

Der Studiengang ist sehr "verschult" aufgebaut und es gibt in den ersten Semestern kaum Wahlmöglichkeiten; die zu belegenden Veranstaltungen sind vorgegeben. Die Inhalte sind spannend und relevant: nach einer Festigung der theoretischen linguistische Grundlagen lernt man vieles zum Spracherwerb (Erstspracherwerb, Zweitspracherwerb, Spracherwerbsstörungen). Außerdem lernt man vieles zur Sprachförderung im Elementarbereich, der Primar- und Sekundarstufe, wobei hier eher theoretische Konzepte gelernt als praktische Umsetzungsmöglichkeiten erprobt werden. Während des Praktikums (man ist ein Jahr lang mit einem Kommilitonen/ einer Kommilitonin in einer Kita, einer Grundschule oder einer Sekundarschule als Sprachförderkraft tätig) lernt man nicht nur viel über verschiedene Sprachdiagnostikmethoden, man sammelt auch unglaublich viele nützliche und schöne Erfahrungen, kann vieles, was man in der Theorie gelernt hat, praktisch umsetzen und entwickelt sich selbst weiter. Also, von den Inhalten ist der Studiengang top und von den Modulen her klar und übersichtlich und sinnvoll aufgebaut.

Das gesamte Team des Studiengangs ist sehr nett und kompetent; die Studiengangskoordinatorin ist sehr organisiert und jederzeit offen für Fragen. Die kompetenten Dozentinnen bringen unterschiedliche Erfahrungen mit und lehren sehr gut. Dass sich die Inhalte einiger Seminare wiederholen, kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen - darüber zu entscheiden, wie schlimm das ist, überlasse ich jedem selbst. Ich persönlich fand das teilweise echt nervig, teilweise aber auch sehr hilfreich, da man vieles dann doch nicht mehr so auf dem Schirm hat und eine Wiederholung manchen Stoffes hilfreich ist. Einziger Kritikpunkt ist, dass alle Dozentinnen sehr auf (früh-)kindliche Sprachförderung spezialisiert sind, was sich auch in den Seminaren und im Praktikumskolloquium bemerkbar macht.

Die Bemerkungen einiger Kritiker*innen auf dieser Seite zum wissenschaftlichen Arbeiten (keine Diskussion theoretischer Konzepte, seltenes Verfassen von Hausarbeiten, schlechte Vorbereitung aufs wissenschaftliche Arbeiten) kann ich nicht nachvollziehen. Besonders das aus drei Seminaren bestehenden Modul zur Sprachförderung ist doch vollgepackt mit zum einen intensiver Lektüre wissenschaftlicher Texte sowie der Diskussion verschiedener theoretischer Konzepte und zum anderen dem Verfassen vieler schriftlicher Analyseaufgaben und Hausarbeiten – im Rahmen dieses Moduls habe ich mich sehr gut in das wissenschaftliche Arbeiten eingeführt gefühlt und konnte dort durch das Verfassen vieler Arbeiten vieles lernen und erproben.

In Anbetracht der sehr geringen Zahl an Studierenden pro Jahrgang und der kleinen Größe des Lehrstuhls entsteht innerhalb der Seminare und auch im gesamten Kontext des Studiengangs eine familiäre Atmosphäre. Ich persönlich finde das sehr schön, da man in DaZ, im Vergleich zu anderen universitären Studiengängen, nicht nur eine von Tausend Matrikelnummern, sondern ein Name, eine Persönlichkeit ist.

Nun zu den Berufsperspektiven. Es gibt so gut wie keine. Obwohl man nach Abschluss des Bachelors Sprachförderkraft und DaZ-Fachkraft ist, kommt man so gut wie nirgends unter. Die gesellschaftliche Relevanz dieses Studiengangs spürt man beim Blick auf den Arbeitsmarkt nicht wirklich:

(1) Auf die auf wenige Stunden die Woche beschränkten Stellen als Sprachförderkraft in einer Kita kann man sich zwar bewerben, die Chancen auf Erhalt einer Stelle sind aber gering, da Sprachförderstellen, wie mir von einer für den Bereich der Kindertagesbetreuung zuständigen Mitarbeiterin einer Stadtverwaltung gesagt wurde, lieber mit Erzieher*innen, die eine kurzweilige Weiterbildung zur Sprachförderkraft gemacht haben, besetzt werden, aus dem einfachen Grund, dass diese pädagogische Fachkräft nach §7 KiTaG sind. Wofür studiert man dann eigentlich? Ich traue mich mal, mich so weit aus dem Fenster zu lehnen, und (ohne das arrogant zu meinen!!!), zu behaupten, dass eine Weiterbildung zur Sprachförderkraft nicht die inhaltliche Tiefe des entsprechenden Bachelorstudiums hat.

(2) Dadurch, dass das Studium ein Bachelor of Arts und kein B.Ed. ist und es auch keinen entsprechenden M.Ed. gibt, ist eine Anstellung in einer Schule kaum möglich. Es soll zwar möglich sein, an Berufsschulen VABO-Klassen oder an Grundschulen Vorbereitungsklassen (VKL) zu unterrichten, ich befürchte aber, dass uns in Anbetracht dessen, dass Lehramtsstudierende aller Fächer eine kleine DaZ-Zusatzqualifikation erwerben können, auch diese Möglichkeit genommen bzw. diese Berufsoption bald verwehrt bleibt, einfach weil es „besser ausgebildetes Personal“ geben wird (DaZ-B.A. Absolvent*in vs. Lehrer*in mit M.Ed. und DaZ-Zusatzquali. – wer wird wohl eingestellt?)

(3) Eine weitere Berufsoption ist die der Lehrkraft in Integrationskursen. Mit erfolgreich abgeschlossenem Bachelor ist es möglich, eine Zulassung als Lehrkraft in Integrationskursen beim BAMF zu beantragen und zu erhalten. Wegen dieser Berufsoption habe ich mich für den Studiengang entschieden. Ich stellte es mir schön vor, zugewanderte Menschen in Integrationskursen unterrichten zu können, ihnen die schöne Deutsche Sprache beibringen zu dürfen und ihnen bei der Integration zu helfen. Zwei Haken hat die Sache aber:

1. Wir werden wegen der Konzentration des Studiengangs auf (früh-)kindliche Sprachförderung gar nicht auf die Sprachförderung im Erwachsenenalter vorbereitet. Außerdem haben wir (bis jetzt) keinerlei großen Input zur sensiblen Sprachförderung mit traumatisierten Menschen bekommen.

2. Tätigkeiten als Lehrkraft in Integrationskursen haben, wie man im Internet schnell herausfinden kann, unschöne Arbeitsbedingungen. Zum einen sind die Tätigkeiten überwiegend auf Honorarbasis. Das heißt also Selbständigkeit, wenig Honorar (41 Euro pro UE), keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein bezahlter Urlaub, Sozialabgaben (Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung) zu 100% selbst bezahlen. Was bleibt dann netto? Kaum was. Dafür, dass der Staat bzw. der ÖD sich gegenüber der freien Wirtschaft mit seinen Tarifverträgen und seinen tollen Arbeitsbedingungen positiv hervorhebt und rühmt, bezahlt und beschäftigt er seine Lehrkräfte in Integrationskursen ziemlich sch****. Schön zu sehen, wie viel dem Staat gute Integration wert ist .

Wer diesen Studiengang also nicht nur wegen seiner gesellschaftlichen Relevanz und interessanten Inhalte studieren will, sondern auch, um damit später seine Brötchen verdienen zu können, sollte unbedingt Erziehungswissenschaften als Nebenfach wählen, um nach erfolgreichem Abschluss des Bachelors als päd. Fachkraft nach §7 KiTag anerkannt zu werden. Wer diesen Studiengang aus Interesse an den Inhalten studieren will, den kann ich nur darin bestärken - aber an einem weiteren Studium (sofern man es sich leisten kann :-/ ) oder an einer Ausbildung nach dem Bachelor kommt man dann wohl nicht vorbei.

Also, alles in Allem ist dieser Studiengang ein super interessanter, lehrreicher und familiärer Studiengang und rein von dem, was man lernt und wie man es lernt (Praktikum, kleine Seminare…) unbedingt zu empfehlen! Ich habe so viel Nützliches und Spannendens gelernt und habe im Praktikum ganz tolle Erfahrungen machen dürfen! Die Sprachförderung macht auch unglaublich viel Spaß! Das ist super! Aber in Anbetracht der blöden Berufsperspektiven ist er nur jenen zu empfehlen, die kein Problem damit haben, nach dem Bachelor ein Zweitstudium oder eine Ausbildung zu absolvieren oder jenen zu empfehlen, die kein Problem damit haben, sich ein Leben lang von Honorarvertrag zu Honorarvertrag, von Integrationskurs zu Integrationskurs zu hangeln und durch die Honorartätigkeit und die mit ihr verbundenen Umstände im Leben nicht abgesichert zu sein. Naja, wer weiß, vielleicht ändert sich politisch in den nächsten Jahren noch was, sodass sich die gesellschaftliche Relevanz dieses Studiengangs endlich auf dem Arbeitsmarkt (feste Stellen, Abkehr von Honorartätigkeiten) wiederfindet.

Bis dahin: eine gute Zeit!
  • Sinn.
  • Sehr schlechte Berufsaussichten.

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

4.3
M. , 16.05.2023 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
3.7
Paul , 12.03.2022 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
1.0
Anna , 19.03.2021 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
2.9
Janika , 31.07.2020 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
2.5
Lisa , 23.03.2018 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
4.5
Aylin , 14.09.2017 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
2.2
Anonym , 26.06.2016 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
3.8
Lisa , 31.01.2016 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)
3.8
Mo , 10.05.2015 - Deutsch als Zweitsprache: Sprachdiagnostik und Sprachförderung (B.A.)

Über Anonym

  • Alter: 21-23
  • Geschlecht: Männlich
  • Abschluss: Ich studiere noch
  • Aktuelles Fachsemester: 5
  • Studienbeginn: 2019
  • Studienform: Hauptfach
  • Standort: Standort Tübingen
  • Schulabschluss: Abitur
  • Weiterempfehlung: Ja
  • Geschrieben am: 01.08.2021
  • Veröffentlicht am: 16.08.2021