Unfassbar überbewertete Universität

Viele verbinden die Uni Göttingen mit ihrer jahrhundertealten akademischen Tradition und ihrem Renommee. Das mag vor 100 Jahren gerechtfertigt gewesen sein, allerdings ruht sich die Uni schon lange nur noch auf diesem Ruf aus, ohne sich um dessen Erhalt zu bemühen. Kurz: Die Uni Göttingen versteht sich offen als FORSCHUNGSUniversität, dh., dass die Dozierenden nicht dorthin kommen, weil ihnen Wissensvermittlung und die Arbeit mit Studierenden so viel Spaß macht, sondern weil sie - überspitzt, aber wahr - in muffigen Büros sitzen und die tausendste Abhandlung im Stellvertretungsrecht schreiben wollen. Die Konsequenz ist eine mehrheitlich absurd demotivierte, unengagierte und größtenteils völlig desinteressierte ProfessorInnenschaft, die beharrlich das absolute Minimum an Engagement gegenüber ihren Studierenden zeigt. Die Ausstattung der Uni im allgemeinen und des Juridicums im Speziellen ist miserabel, ein 70er Jahre Bungalow mit regelmäßigen Baustellen und offenen Decken, dunklem Grau-in-Grau Flair und lebensverneinender Atmosphäre. Man muss sich darauf einstellen, auf sich selbst gestellt zu sein und weder von ProfessorInnen oder dem Studienbüro in irgendeiner Form unterstützt zu werden. Im Gegenteil hatte ich mehrfach den Eindruck, dass Fakultät und Uni regelmäßig gegen, wenn man Glück hat mit, aber jedenfalls nicht für ihre Studierenden arbeitet. Besonders zu bemängeln ist das de facto nicht existierende Examensrepetitorium. Hier scheint es, als hätte man schon lange vor den kommerziellen Reps kapituliert und speist Examenskandidat*innen nunmehr mit halbherzig zusammengeschusterten Vorlesungen ab. Die Fakultät verfolgt nicht das Ziel wie etwa andere Unis, ein einheitliches, in sich geschlossenes Rep zu entwickeln. Vielmehr kocht jeder Lehrstuhl sein eigenes Süppchen, es wird nichts synchronisiert oder abgesprochen. In meinem Studium hatte ich zu keiner Zeit das Gefühl, dass irgendjemand, sei es die Uni, die Profs, die Fak, überhaut eine Vision für eine gute Lehre hat. Ich glaube sogar, dass das mehrheitlich nicht einmal der Anspruch ist. Über den Campus geistert eine Aura von Desinteresse und Lustlosigkeit, die manchmal straight up Arbeitsverweigerung ist.

Fazit: Jura wird an fast allen deutschen Unis angeboten; die Wahl der Georgia Augusta will gut überlegt sein. Wer sich engagierte Lehre und eine gut ausgestattete Uni wünscht, wird sicherlich anderswo glücklicher (Freiburg, München, Münster, Osnabrück...) Zudem sollten sich Jura-Interessierte früh informieren, ob die Wunsch-Uni ein solides universitäres Repetitorium anbiete - auch hier ist Göttingen mangelhaft. Meine Erfahrung war, dass hiesige Uni und juristische Fakultät einen Kurs des gerade noch vertretbaren Minimus fahren. Bei einem emotional, intellektuell und später mitunter auch körperlich so anstrengendem Studium wie Jura ist so eine Haltung besonders schwer zu ertragen. Ich für meinen Teil bereue - trotz erfolgreicher Absolvierung des 1. Staatsexamens - die Wahl der Uni sehr und würde mich heute ohne Zweifel anders entscheiden.