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Weit entfernt von vollwertigem Psychologie-Studium

Psychologie (Bachelor)

  • Studieninhalte
    3.0
  • Dozenten
    3.0
  • Lehrveranstaltungen
    3.0
  • Ausstattung
    2.0
  • Organisation
    3.0
  • Literaturzugang
    2.0
  • Digitales Studieren
    3.0
  • Gesamtbewertung
    2.7
Ich habe mich entschieden mal eine ausführlichere Rezension zu schreiben, da ich viele dieser Infos gerne selbst vor meiner Studienwahl bekommen hätte und viele meiner Kommiliton*innen sicherlich auch. Ein großer Teil im Studiengang ist relativ unzufrieden und das liegt meiner Meinung nach vor allem an den schlechten Informationsmöglichkeiten über diesen (zugegebenermaßen auch recht kompliziert aufgebauten) Studiengang. Viele starten mit falschen Vorstellungen und man kommt sich manchmal vor wie in einem Sammelbecken für Studierende, die nur aufgrund des niedrigeren NC Psychologie in Koblenz studieren und eine echte Alternative zum Vollfach-Bachelor erwarten. In einzelnen Bereichen kann der Studiengang diese auch bieten, in vielen aber auch nicht und darüber versuche ich in dieser Rezension mal ein bisschen Klarheit zu schaffen. Um nicht enttäuscht zu werden, sollte man genau wissen, was auf einen zukommt. Insgesamt besteht der Studiengang aus zwei Basisfächern, einem Wahlfach und einem Profilbereich. Die folgende Rezension bezieht sich dabei NUR auf das Basisfach Psychologie und die psychologischen Wahlfächer!

Inhalte:
Der inhaltliche Aufbau unterscheidet sich deutlich von einem regulären Psychologie-Bachelor, vor allem weil einige wesentliche Bereiche gar nicht angeboten bzw. nur in einzelnen Veranstaltungen statt ganzen Modulen gelehrt werden. Dazu gehören die Allgemeine, Biologische, Neuro-, Differenzielle, Wirtschafts-, A&O und klinische Psychologie. In diesen Bereichen lernt man somit wenig bis gar nichts und hat gegenüber Vollfach-Studenten deutliche Defizite, weswegen leider auch die Chancen auf einen Psychologie-Master sehr gering sind. Für viele stellt dies das größte Manko des Studiengangs dar und man sollte sich dessen im Vorhinein bewusst sein.

Es gibt einzelne Alumni, die es in der Vergangenheit in Psychologie-Master geschafft haben, allerdings nur mit guten 1er-Schnitten (was machbar ist, der Anspruch ist moderat) UND gesammelten Extra-LP über das reguläre Studium hinaus. Dies ist zum einen über die Wahl eines zweiten Wahlfachs möglich - in Psychologie stehen hier Diversity Management (geht so) und Umweltpsychologie (gut) mit insgesamt je 25 LP zur Auswahl. Außerdem können über ein Auslandssemester Kurse belegt werden, die in Koblenz nicht zur Auswahl stehen und die teilweise im Profilbereich, also zusätzlich zum Basisfach anrechenbar sind. Aber auch an den Partner-Unis werden leider nicht alle Bereiche der Psychologie angeboten. Wenn man alle Register zieht, kann man auf bis zu ca. 130 LP in Psychologie kommen (auch in Regelstudienzeit machbar). Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass mehrere wesentliche Module fehlen und man erhöht die Master-Chancen nur für Master in bestimmten inhaltlichen Richtungen (hier lohnt sich ggf. auch ein Blick auf Master z.B. in Holland). Die Kombination mit Management/Ökonomie erhöht zusätzlich die Chancen auf einen Master in Wirtschafts- und A&O-Psychologie.

Der Fokus liegt auf den Bereichen Entwicklungs-, Sozial- und pädagogische Psychologie und NUR hier ist auch die Anzahl der LP äquivalent zu einem regulären Psychologie-Bachelor. Die Ausbildung in Statistik, sonstiger empirischer Forschungsmethodik und Diagnostik ist inhaltlich okay, die Anzahl der LP liegt aber auch hier unter einem Vollfach-Bachelor und reicht für viele Master nicht aus. Vor Studienbeginn lohnt sich auf jeden Fall ein Blick ins Modulhandbuch!

Dozenten & Lehrqualität:
Hier wird der ganze Bereich von "mangelhaft" bis "glatte 1" abgedeckt. Zwei große Pluspunkte des Studiums:
1. Die meisten Veranstaltungen sind recht klein gehalten, man kennt somit schnell viele Leute aus dem Studiengang und auch einige Dozenten legen Wert auf einen persönlichen Umgang.
2. Trotz des kleinen Studiengangs gibt es eine Menge Wahlmöglichkeiten innerhalb der Module + eben die Wahlfächer und man kann sein Studium so recht individuell gestalten. Ein paar schlechte Seminare gibt es immer, aber man hat schnell raus auf welche Inhalte und Dozenten man Bock hat und kann sich so insgesamt ein ganz interessantes Studium zusammenbasteln und inhaltliche Schwerpunkte setzen. Tipps dazu: In der Studienplanung flexibel bleiben (ggf. einfach ein/zwei Semester länger studieren) und jedes Semester ein/zwei Seminare zu viel wählen. So hat man etwas Auswahl und man kann schlechte Seminare (und auch davon gibt es einige) einfach wieder abwählen. Mit Überbelegungen gibt es so gut wie nie Probleme. Generell macht es Sinn nahe an der Uni zu wohnen, sodass man weniger gezwungen ist, Veranstaltungen so zu wählen, dass der Stundenplan möglichst kompakt ist.

Das Angebot an Forschungspraktika etc. ist okay aber auf keinen Fall herausragend, auch hier hängt vieles an den Dozenten und die Bandbreite von "inkompetent & keinen Bock" bis "Durchblick & hilfsbereit" ist für den kleinen Studiengang verblüffend groß!

Generell sind die meisten Seminare sehr referatslastig (und die Referate, da unbenotet, oft eher schlecht), sonst viel Frontalunterricht mit interaktiven Anteilen und man kommt sich oft vor wie in der Schule. Um das Lesen von ein paar Texten und vor allem englischsprachiger Studien kommt man auch nicht herum aber das sollte klar sein. Der Arbeitsaufwand pro Veranstaltung ist stark schwankend und Veranstaltungen über 7/10 Gesamtbewertung recht selten. Unter'm Strich höchstens mittelmäßige Lehrqualität.

Anspruch und Prüfungen:
Es gibt vergleichsweise recht wenige Klausuren und mündliche Prüfungen, dafür aber recht viele schriftliche Abgaben. 1,-Noten sind mit etwas Fleiß absolut machbar und die Notendurchschnitte der Prüfungen (wie generell in Psychologie-Studiengängen üblich) meist ziemlich gut. Kehrseite der Medaille: Auch in den Veranstaltungen ist der inhaltliche Anspruch oft eher niedrig oder moderat, selten hoch. Soweit ich einen Vergleich ziehen kann ist der inhaltliche Anspruch insgesamt etwas unter dem Niveau eines regulären Psychologie-Bachelors.

Campus, Mensa, Bib, Ausstattung:
Ziemlich bescheiden. Die Uni ist in allen Belangen für deutlich weniger als die momentanen ca. 8000 Studierenden gebaut worden, Räume und Mensa sind oft völlig überfüllt und es gibt viel zu wenige Sitzgelegenheiten. Die Mensa ist preislich und vom Angebot okay aber auch nicht mehr. Die Bib geht von der Größe noch gerade so klar, ist aber ziemlich schlecht ausgestattet. Einzige Pluspunkte sind, dass der Campus an der Mosel liegt und sehr kompakt ist, dafür liegt er allerdings auch eher außerhalb. Busanbindung und Parkplätze sind auch deutlich ausbaufähig!

Organisation:
Geht so. Der Studiengang ist vom Konzept her schon recht kompliziert für Studienbeginner, muss man sich am Anfang mal reinarbeiten um sich nen Überblick zu verschaffen und den Studienverlauf grob zu planen. Das ist vor allem sinnvoll, weil einige Veranstaltungen und Prüfungen nur WS bzw. SS angeboten werden. Teilweise überschneiden sich Veranstaltungen zeitlich, vor allem zwischen den verschiedenen Fächern. Eher schlecht organisiert ist der Profilbereich: Viele der Schlüsselkompetenzkurse wirken eher improvisiert als geplant und die meisten Veranstaltungen sind nicht mal halb so sinnvoll, wie sie vielleicht auf den ersten Blick wirken.

Bei dem ganzen Vergleichen mit dem Vollfach-Bachelor Psychologie sollte an dieser Stelle auch ein großes Plus des Studiengangs nicht unerwähnt bleiben: Die Kombination von Psychologie mit einem gleichwertigen zweiten Basisfach ist in Deutschland (meines Wissens nach) einmalig und kann in vielerlei Hinsicht auch inhaltlich Sinn machen. Diese Interdisziplinarität ist mit Sicherheit auch für viele Arbeitgeber interessant und hält neben Psychologie noch einige weitere Optionen für Master und Karriereweg offen. Dieses Potenzial sollte im Studium allerdings viel stärker ausgeschöpft werden, da die verschiedenen Institute viel zu selten kooperieren und kaum ihre Inhalte abstimmen. Außerdem sollten Anspruch und Benotung angeglichen werden, da es hier völlig unverhältnismäßige Unterschiede gibt.

Stadt, Angebote, Studierende:
An Koblenz als Stadt scheiden sich die Geister. Da die Bewertung so subjektiv ist, hier nur der allgemeine Konsens: Mit ca 125k eher klein und kulturelles Angebot damit sehr überschaubar, ein paar kleine Clubs und erstaunlich viele Bars/Kneipen für die Größe, schöner Weihnachtsmarkt, guter lokaler Wein und auch sonst solide Alkoholkultur, sehr schöne Altstadt + Festung Ehrenbreitstein, sonstige Innenstadt höchstens Durchschnitt, zwei Flüsse sind ein riesen Plus, oft Verkehrschaos und Staus, Fahrradwege etc. okay, Bussystem ausbaufähig, Umland sehr schön aber der Fokus liegt auf LAND, Metternich als Uni-Standort mit hohem Studierendenanteil ziemlich langweilig, großes Unisportangebot des AHS, einzelne gute Veranstaltungen am Campus über das Jahr wie Sommeruni, Poetry Slams etc. Das sollte das Wichtigste abdecken, wie das insgesamt zu bewerten ist muss jeder selbst wissen :)

Von den Studierenden insgesamt kommt ein großer Anteil aus dem näheren Umland, also v.a. Westerwald, Hunsrück und Eifel, was dem Studentenleben einen sehr lokalen Charakter gibt. Da viele dort auch wohnen bleiben ha die Uni zurecht einen Ruf als Pendler-Uni und das merkt man deutlich am studentischen Leben, das in anderen Städten mit Sicherheit sehr viel größer ist. Trotz eines recht hohen Studierendenanteils ist Koblenz keine extreme Studentenstadt und das Studentenleben ist vergleichsweise eher ruhig, vor allem in den Semesterferien ist absolut nichts los.

Zum Schluss noch ein großer Nachteil speziell am Studium im 2FB: Durch die individuelle Kombination der zwei Fächer, das große Angebot an Seminaren und die Tatsache, dass an vielen der Seminare auch Studierende aus anderen Studiengängen teilnehmen, entsteht leider kein wirklicher Zusammenhalt innerhalb des Studiengangs. Man kennt natürlich mit der Zeit viele Gesichter aus den eigenen Fächern und lernt einige auch besser kennen, aber mehr Wir-Gefühl als die Bildung einzelner Grüppchen entsteht eigentlich nie. Wer einen Studiengang mit viel Anschluss sucht, bei dem alle auf das gleiche Ziel hinarbeiten und man ständig nur n den gleichen Kreisen unterwegs ist, wie man es von manchen anderen Studiengängen kennt, ist hier fehl am Platz. Man geht hier absolut seinen eigenen Studienweg. Die Fachschaft gibt sich Mühe, aber die wenigen Angebote werden kaum wahrgenommen, ganz zu schweigen von einer Fachschaftsfahrt oder ähnlichem.

Fazit:
Ich denke damit habe ich die wichtigsten Punkte abgearbeitet und hoffe ich konnte möglichst fair und objektiv die Vor- und Nachteile darstellen. Vielleicht hilft diese ausführliche Kritik aus Studierendensicht ein paar Interessierten bei der Entscheidung und sorgt vor allem für eine realistische Erwartungshaltung, wenn man sich für dieses Studium entscheidet. Unter'm Strich kann ich den Studiengang tendenziell weiterempfehlen, aber eben nur, wenn man sich der Einschränkungen bewusst ist UND neben Psychologie auch Bock auf das jeweilige zweite Fach hat, dass man auf keinen Fall nur als "Kollateralschaden" mitstudieren sollte!

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

3.3
S. , 06.05.2024 - Psychologie (Bachelor)
4.3
Josephine , 14.04.2024 - Psychologie (Bachelor)
2.3
Sarah , 16.03.2024 - Psychologie (Bachelor)
3.3
Nancy , 25.02.2024 - Psychologie (Bachelor)
2.4
Joy , 20.02.2024 - Psychologie (Bachelor)
3.1
Helen , 13.02.2024 - Psychologie (Bachelor)
3.4
Anna , 23.01.2024 - Psychologie (Bachelor)
3.3
Jule , 21.01.2024 - Psychologie (Bachelor)
3.6
Josi , 12.11.2023 - Psychologie (Bachelor)
3.7
Sümi , 08.11.2023 - Psychologie (Bachelor)

Über Anonym

  • Alter: 24-26
  • Geschlecht: Divers
  • Studienbeginn: 2016
  • Studienform: Basisfach im Zwei-Fach-Bachelor
  • Standort: Universität Koblenz
  • Weiterempfehlung: Ja
  • Geschrieben am: 22.06.2020
  • Veröffentlicht am: 06.07.2020