Zwischen Bootcamp-feeling u. dem schönsten Studium

Dass Medizin nicht der einfachste Studiengang ist, ist bekannt. Auch, dass er einer der lernaufwendigsten ist, weiß jeder. Daher auch die typischen Reaktionen, wenn ich jemandem erzähle, was ich studiere: "wow? Aber dann hast du sicher überhaupt keine Freizeit?", "boah cool, aber das muss doch super anstrengend sein!?", "ist bestimmt toll, aber ich könnte das nie. Mit den ganzen Leichen und so...". Auf jeden begeisterten Ausruf, kommt ein eher negativer Aspekt, der wohl in den meisten Köpfen mit dem Studiengang "Medizin" verbinden ist. Aber nein, ich habe Freizeit, wohl vielleicht sogar zu viel, weil ich mir zu viel davon nehme. Entspannend ist sie aber wiederum nicht. Wer geht schon gerne mit Freunden weg mit der leisen, aber doch sehr penetranten Stimme des Gewissens, die einem sagt: solltest du nicht vielleicht lieber den plexus brachialis und seine Innervationsgebiete lernen, als auszugehen?". Und ja, sicher ist diese Stimme in anderen Studiengängen nicht so laut. Bei uns schon. Die Dozenten trichtern uns seit Tag eins ein: fangt früh an zu lernen. Besser gestern als heute und wenn ihr meint, dass es reicht, eine Woche vorher anzufangen, habt ihr euch getäuscht. Und sie haben recht, leider. Timemanagement ist das wichtigste. Das habe ich schon im 1. Semester gemerkt und jetzt ganz besonders. Alle zwei Wochen ein Test, mündlich oder schriftlich. Am Ende ist es egal, der Lernaufwand das gleiche. Meine Kommilitonen stehen ständig unter Strom. Panik bricht vor Klausuren aus. Man schaukelt die Stimmung hoch. Am Ende bestehen die meisten doch. Aber dahinter stecken täglich minimum 6 Stunden lernen plus Vorlesungen und diverse Pflichtseminare. Die sind gut, man muss manchmal eben zu seinem Glück gezwungen werden. Nichts desto trotz ist Medizin - zumindest am Anfang und zumindest an der LMU - sehr verschult. Ich habe davor BWL studiert, da hatte ich dieses Uni-feeling, über das mir meine Mutter immer vorgeschwärmt hatte: Uni war die geilste Zeit meines Lebens. Ich finde sie auch geil, vielleicht auch nur gerade die Phase meines Lebens. 20, den Studiengang, den ich wollte und allem, was ein junger Erwachsener eben so kann/ darf/ hat/ macht. Trotzdem, der Druck ist da. In anderen Ländern hat man für Anatomie zwei Jahre Zeit, wir 7 Monate. Am Anfang des Studiums, ins kalte Wasser geschmissen. Über die Dozenten kann man sich nicht beklagen. Sie führen einen gut ein und geben ihr bestes, dass man sich einlebt und den Stoff versteht (und dafür, dass man das meiste auswendig lernen muss und sie eigentlich nur vorlesen, dafür können sie ja auch nichts). Auch gehen sie sehr auf die individuellen Probleme ein. Man kann jeder Zeit privat nach dem Unterricht noch zu einem Professoren und Fragen stellen oder eine Mail schreiben. Trotzdem sollte man die Kurse entzerren. Mehr Zeit für ein Fach, dafür mehr Fächer als nur 2 parallel laufen lassen. Das würde vieles erleichtern, man hätte mehr Zeit sich mit dem Stoff zu befassen und vor allem, sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Letzendlich bereuere ich es nicht, mich an der lmu für Medizin eingeschrieben zu haben. Ehrgeizige und gestresste Leute gibt es gerade in diesem Studiengang wohl so ziemlich überall. Dafür kann ich aber am Ende einen Abschluss von einer der besten medizinischen Fakultäten in Deutschland vorweisen. Medizin ist viel und Medizin ist Stress, das wäre es sogar auf dem Mond.