Coole Schale, träger Kern

Die Kommunikation nach Außen ist super und die Burg lockt einen mit Interdisziplinarität, Internationalität und jede Menge Aktionen. Alles wirkt super strukturiert und durchgeplant. Es gibt haufenweise Instagram-Accounts, die Aussendarstellung stimmt, für alles scheint es Gremien zu geben – als Reaktion auf Corona baut man einen Container-Campus, damit jede*r Studierende einen Arbeitsplatz hat, nach George Floyd beruft man Diskriminierungsbeauftragte in ein Gremium. Alles scheint extrem ambitioniert, aufgeweckt, offen und strukturiert zu sein.

Im Studium angekommen sieht aber alles etwas anders aus. Das Studium ist sehr trocken (obwohl man nicht so wirklich inhaltliches Grundwissen vermittelt bekommt), nach vier Semestern Grundstudium gibt es immer noch nicht den Hauch einer Möglichkeit von Interdisziplinarität. „Richtige“ Projekte macht man hier nicht – eher Fallstudienartige Prototypen. Grundlagen der Gestaltung bringt man sich gefühlt eh Zuhause komplett selber bei.

Experimentell Arbeiten lässt sich hier gut! Das ist auch das was verlangt wird. Die Ausstattung dafür ist auch super: Neue, große, beeindruckende Bibliothek, eigene Druckerei mit Offset Anlage, für alles Werkstätten. Aber: Die Ausbildung zum/zur Gestalter*in wird hier etwas vernachlässigt. Dass man mit dem Beruf später auch Geld verdienen will/muss wird dort komplett ausgeblendet.

Hauptsache es ist "experimentell", Hauptsache es ist "Anders" – wobei dann innerhalb der Hochschule alle das Gleiche machen: Egal ob seriöses CI, Plakat für Museumsausstellungen, Festival CI, wissenschaftliches oder subkulturelles Magazin – der Look ist immer der Gleiche. Um gestalterisches Fachwissen geht es eher weniger.

Was ist lesbar? Welche Farben ergeben unangenehme Kontraste? Wie wirken Farben und Schriften? Wie wählt man Schriften aus? Wofür sind Raster gut? All das was im Job später wichtig wird, wird komplett ignoriert. Was hier gemacht wird fällt eher in den Bereich der Kunst. Warum Was wie gestaltet wird, interessiert hier Niemanden, es geht nur darum Aufsehen zu erregen; Kunst halt. Das mag für die ersten zwei Semester super sein, um sich auszuprobieren. Irgendwann will man aber auch mal etwas "richtiges" erschaffen, was dann eher auf Ablehnung stößt. („Probier' doch mal was Anderes, was ausgefallenes, experimentelles!“ - womit dann der Stil gemeint ist, den jede*r an der Hochschule seit 2, 3 Jahren fährt)

Seit dem zweiten Semester habe ich nebenbei als Freelancer in Agenturen rund um Leipzig gearbeitet (auch in angeseheneren). Die Meisten waren von den Projekten die dort entstehen geschockt. Alles, was an gestalterischem Wissen für die Jobs von Nöten war, habe ich mir außerhalb der Uni selber angeeignet.

Von dem super strukturierten, organisiertem Bild nach Außen ist innen dann auch nicht mehr so viel zu erkennen. Auf Corona wurde zwar schnell und gut reagiert, aber ansonsten wirken die Dozent*innen eher planlos. Alles ist so locker und zwanglos, dass es einem schon auf den Keks gehen kann, wenn spontan mal Kurse ausfallen, weil zu viele heute keinen Bock haben oder zu verkatert sind. Das ist am Anfang ganz lustig und entspannt, ich frage mich aber manchmal, wieso ich überhaupt studiert habe, wenn ich mir alles relevante selbst erarbeitet habe.

Die Studierenden sind dort eigentlich fast alle ausnahmslos aufgeschlossen, hilfsbereit und entspannt, weswegen ich hier trotzdem eine super Zeit hatte! Für meinen Berufsalltag war die Burg aber (Abgesehen vom BA Titel) total irrelevant.