Richtiger Studiengang an falscher Uni

Wirtschaftsmathematik (B.Sc.)

  • Studieninhalte
    2.0
  • Dozenten
    3.0
  • Lehrveranstaltungen
    2.0
  • Ausstattung
    3.0
  • Organisation
    3.0
  • Literaturzugang
    4.0
  • Digitales Studieren
    3.0
  • Gesamtbewertung
    2.9
Ich habe meinen Bachelor in Wirtschaftsmathe an der Uni Bayreuth erfolgreich abgeschlossen und bin für mein Masterstudium an eine andere Uni gewechselt, welches ich inzwischen auch erfolgreich abgeschlossen habe. Ich möchte hier dennoch eine sehr genaue Bewertung für den Bachelor- und Masterstudiengang abgeben.
Ich habe mich in die Stochastik vertieft, weshalb ich aus dieser Perspektive berichten werde. Ich möchte hier ein sehr genaues Review abgeben, da ich in meinen Tutorien oftmals Leuten begegnet bin, die sich nicht wirklich Gedanken über die Studienwahl gemacht haben und dann verweifelt zu mir gekommen sind und sich ausgeheult haben.

Der Studiengang ist aufgegliedert in ungefähr 60% Mathe und jeweils 20% Wirtschaft und Informatik.

Wirtschaft:
Hier gibt es absolut nichts Negatives zu berichten. Die Dozierenden sind super kompetent und die Wahlmöglichkeiten ausgezeichnet. Super ist auch, dass man jedes Fach belegen kann, welches nicht das Wort "Mathe" im Titel enthält (Mathematik für WiWis kann man also bspw nicht belegen). Hier hat Bayreuth ganz klar die Nase vorn. (Im Übrigen ist die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften die Fakultät, mit der die Uni größtenteils wirbt ohne wirklich auf andere Fakultäten einzugehen).

Informatik:
Im Bachelor müssen 4 Module aus der Informatik belegt werden: Konzepte der Programmierung (KDP, Programmieren in Java), Datenbanken (DBIS, SQL und die Theorie zu Datenbanken), Algorithmen und Datenstrukturen (AlgoDat, beweisen von Code auf Richtigkeit mittels vollständiger Induktion) und das Software-Praktikum.
Wer hofft, Programmieren zu lernen, ist hier erstmal Fehl am Platz. In KDP und DBIS wird hauptsächlich auf einem Blatt Papier "programmiert". Das Software-Praktikum war bei mir sehr cool. Hier bieten alle Lehrstühle der Informatik (und auch wenige aus der Mathematik) kleine Projekte an, die quasi selbständig programmiert werden sollen (bspw kleine Programme in Python, ein kleines Spiel in C++ oder aber einen mathematischen Algorithmus in C++). Vor AlgoDat muss man sich hingegen sehr in Acht nehmen. Neben den Grundlagenfächern der Mathematik zählt auch dieses Fach zu den klassischen Aussiebfächern im Studium. Einige meiner Mitkommilitonen sind hier entweder direkt zu "Mathematik" gewechselt und haben als Nebenfach Wirtschaftswissenschaften gewählt, sodass man das hier nicht belegen muss oder haben es über ein anderes Studienfach geschrieben und es dann in Wirtschaftsmathe anrechnen lassen (wegen der 3-Versuchs-Obergrenze). An anderen Unis (Bamberg, Erlangen, Regensburg) ist dieses Fach wohlgemerkt auch schwer, aber trotzdem deutlich leichter als in Bayreuth.
Die Informatik ist generell ein sehr theoretisches Studienfach. Bayreuth hat es geschafft, diese Studienrichtung einfach auf ein neues Level bzgl der Praxisferne zu heben. Well done Bayreuth! Wer also Informatik studieren will und in Oberfranken bleiben will: Bamberg. (Ich habe im Übrigen in Bayreuth mehr als diese 4 Fächer an der Fakultät für Informatik gehört, weshalb ich davon auch ein gutes Bild habe).

Mathematik:

Der wichtigste Part des Studiums. Die Grundlagenvorlesungen Analysis I und II / Lineare Algebra I und II sind uns schwer gefallen. Jedoch nicht so schwer, dass es unmöglich zu meistern ist. Wie an vielen Unis gibt es Pflichtblätter, bei denen meistens 40 oder 50% der Punkte für eine Klausurzulassung zu erreichen sind. Diese Aufgaben löst man entweder privat in Gruppen oder schreibt sie im Internet ab. Hier sei auch gesagt, dass man am Anfang viel Unterstützung erhält. So kann man bspw nach den Vorlesungen ins Lernzentrum, wo auch oft Mitkommilitonen sitzen, mit denen man die Aufgaben lösen kann. Zudem ist dort auch oftmals jemand aus einem höheren Semester oder ein Doktorand, den man bei Unklarheiten fragen kann.
Leider ist es aber an der Uni Bayreuth so, dass sowohl Analysis I, Analysis II, Lineare Algebra I und Lineare Algebra II jeweils einmal bestanden werden müssen in einer schriftlichen Prüfung. Dies ist ungewöhnlich. Üblich ist es, dass man entweder nur jeweils Ana I oder II und LinA I oder II bestehen muss, oder dass Ana I und LinA I mündlich (ohne Note) abgeprüft werden und dann Ana II und LinA II schriftlich (benotet) abgeprüft werden. Diese Regelung in Bayreuth hat dann leider zur Folge, dass Leute aus höheren Semestern immer noch mit den Grundlagenfächern beschäftigen müssen. Es ist durchaus üblich, Prüfungen in den ersten Semestern zu verhauen. Es gibt also Leute, die bspw im 5. Semester sind und immer noch Analysis I schreiben müssen. Ich kenne Leute, die Analysis II 6 mal geschrieben haben, bis sie es endlich mal bestanden haben. Leider hält auch jedes Jahr ein anderer Prof die Vorlesungen in Ana I/II und LinA I/II, sodass sich der Schwierigkeitsgrad der Fächer von Jahr zu Jahr extremst unterscheidet.
Bei den Aufbaumodulen möchte insbesondere auf die "Einführung in die Stochastik" und "Einführung in die Statistik" eingehen. Die Uni Bayreuth hat einen sehr kleinen Stochastik-Lehrstuhl (nur zwei Profs). Dies schlägt sich dementsprechend auch auf das Lehrangebot in diesem Bereich aus. Während man an anderen Unis 10 ECTS für diese Veranstaltungen bekommt, bekommt man in Bayreuth 8 ECTS (ein Credit entspricht ungefähr 30h) für diese Module. Das ist sehr schade, wenn man auf diesem Gebiet bleiben möchte. Oftmals wurden fundamental wichtige Inhalte einfach nur mal kurz überflogen. Man hat den Zeitdruck deutlich gemerkt.
Numerik und Optimierung sind in Ordnung. Wer sich für Numerik interessiert, sollte sich auch andere Unis anschauen. Manche Unis gliedern diese Veranstaltung schlauer (Bspw in numerische Analysis und numerische lineare Algebra). Andererseits hat mir ein ehemaliger Kommilitone erzählt, dass im Bacherstudium nun ein zweites Numerik-Modul gehört werden kann, der wohl zu meiner Studienzeit das Mastermodul zur Numerik gewesen sein soll (Was passiert sein soll, nachdem ich meinen Master angefangen habe). Bei Optimierung gibt es nichts zu meckern. Der Prof macht nen guten Job. Bei den Wahlpflichtmodulen in Mathe habe ich mich für gewöhnliche DGL und für die Einführung in die höhere Analysis entschieden. Auch hier gab es nichts zu bemängeln. Die Dozierenden haben hier einen guten Job abgeliefert.

Was auch toll war ist, dass man jederzeit persönlich zu den Dozierenden hingehen konnte, wenn man Fragen zu den Vorlesungen hatte. Die Betreuung während meiner Bachelorarbeit war ebenfalls ausgezeichnet. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Profs sehr nette Menschen, die sich freuen, wenn man sie bei fachlichen Problemen aufsucht.

Für mich war die Uni die falsche Uni. Während Praktikas ist mir aufgefallen, dass die anderen Praktikanten besser mathematisch programmieren konnten als ich (sowas wie MatLab oder R lernt man in Wirtschaftsmathe nicht, an anderen Unis aber schon). Dieser eine C++ Kurs im Bachelor war mit Abstand der schlechteste Programmierkurs den ich je in meinem Leben gehört habe (Klassischer Fall von "Prof kann selbst gut programmieren, aber es nicht beibringen"). Gelernt haben wir da effektiv (trotz der Pflichtabgaben) nichts. Zumindest konnten wir alle kein C++.

Die Uni Bayreuth ist sehr stark im Gebiet der Optimierung/Numerik/Analysis. Der Studiengangsmoderator ist der Lehrstuhlinhaber der mathematischen Optimierung. Dementsprechend merkt man, dass der Studiengang echt extrem darauf ausgelegt ist, sich in die Optimierung zu vertiefen. Für jemanden wie mich, der die Optimierung sehr langweilig findet und dessen Interessen in der Stochastik liegen, ist das sehr doof. Erst im Master konnte ich (an einer anderen Uni) dieses Defizit wieder wettmachen. Dort habe ich dann auch statistisches Programmieren gelernt.

Wer schon weiß, dass Optimierung/Numerik das Richtige für einen ist:
Der Studiengang könnte für einen das Richtige sein. Schaut euch aber bitte vorher andere Unis an (wie bspw die FAU in Nürnberg-Erlangen, die ebenfalls einen tollen Optimierung-Lehrstuhl haben soll). Insbesondere dieses "Programmieren-Defizit" sehr schlimm an der Uni. Insbesondere in diesem Bereich sind C++-Kenntnisse wichtig. Andererseits gibt es auch Leute, die sich sowas lieber selbst beibringen oder es schon können. Wenn es also einen nicht stört und man sich auch mit anderen Unis beschäftigt hat und man zu dem Schluss kommt, dass Bayreuth für einen am Besten passt , dann go for it.

Wer keinen Plan hat, was ihm taugen könnte, man sich aber für die Theorie hinter der Mathematik interessiert:
Man kann Bayreuth mal wagen. Wenn man mit den negativen Punkten, die ich oben genannt habe, leben kann und man nicht weit von zuhause weg sein möchte, dann go for it. Im Großen und Ganzen ist der Bachelor egal. Dort lernt man sowieso nur größtenteils Grundlagen. Der Master ist letztendlich entscheidend. Wenn man also gegen Mitte / Ende des Studiums merkt, dass die Studieninteressen in Bayreuth einem nicht zusprechen, auch den Mut haben, an eine andere Uni zu wechseln.

Wer von weit weg kommt:
Finger weg. Der Weg nach Bayreuth ist es wirklich nicht wert. Lasst euch mit solchen schwachsinnigen Slogans wie "Gamechanger Campus" oder "Schönste Campus Uni Deutschlands" nicht um den Finger wickeln. Die Uni hat keinen Alleinstellungsmerkmal oder eine so besonders gute Lehre, so dass sich der Weg dahin rentieren würde. Letztendlich soll die Betreuung auch an größeren Unis in Bayern gut sein. Mathe-Studiengänge sind immer vergleichsweise klein.

Wer keinen Plan hat und Mathe an der Schule schön fand:
Vorsicht. Der Mathematikstudiengang könnte generell nicht das Richtige für einen sein. Interessiert dich die Theorie hinter der Mathematik oder konntest du nur gut Rechnen und hattest Spaß dabei? Interessiert dich, warum ein Riemann-Integral den Flächeninhalt unter einer Funktion in einem festgelegten Abschnitt liefert? Warum 2 + 2 = 4 ist? Warum für manche Funktionen keine Ableitung existiert? Warum ein n - maliger Münzwurf (der offenbar nicht normalverteilt ist) gegen eine Standardnormalverteilung konvergiert?
Beantworte diese Fragen mal ehrlich. Wenn dich das wirklich interessiert, go for it. Dann auch gerne in Bayreuth, wenn du aus der Nähe bist. Wenn du mit den oben genannten Nachteilen leben kannst, warum nicht. Bedenke aber, dass du dir nichts vormachen solltest. Mathe studieren heißt Leben aufgeben (das ist nicht übertrieben). Das wird sich also sehr rächen, wenn du dich selbst belügst. Insbesondere wenn du zuhause sitzen musst und lernen musst, während deine Freunde, die BWL studieren auf einer Studentenparty sind und das Leben genießen. Und finanziell lohnt sich das übrigens auch nicht. Du kannst mit einfachereren Studiengängen (bspw Wirtschaftsingenieur) genausoviel oder mehr verdienen.
Oder hast du eher Spaß dabei, Kettenregel und Quotientenregel anzuwenden und lustig und munter Flächen unter Integralen auszurechnen? Dann lass die Finger von der Mathematik. Studiere bspw sowas wie (Wirtschafts-)ingenieur. Generell werden Ingenieure von uns sehr runtergemacht, weil wir die Mathematiker sind. Aber als Mathematikerin kann ich sagen, dass das, was die rechnen, auch nicht einfach ist. Diese Studiengänge zu unterschätzen wäre also sehr dumm. Vielleicht kann aber auch eine Ausbildung das Richtige sein.

Wenn du dich für die Theorie hinter der Mathematik interessierst, es aber gerne angewandter hättest:
Vielleicht könnte ein Studiengang "Statistik" für dich das Richtige sein? Hier lernt man im Bachelor erst mal die Anwendung (bei weitem nicht so "plump" wie im BWL Studium - immer noch mathematisch korrekt und angemessen. Aber auch nicht so unglaublich theoretisch wie im klassischen Mathestudium). Hierbei wird generell im Bachelor die mathematische Theorie (etwas abgespeckter als im Mathestudium) näher gebracht und viel wert auf die Anwendung gelegt (Programmieren in R und richtiger Umgang mit Daten). Im Master wird dann die "blanke" Theorie "nachgeliefert", wie man es auch im Mathestudium hat. Diesen Studiengang kann man in Dortmund, München oder Linz studieren.

Wer sich für Stochastik oder die Versicherungsmathematik interessiert:
Sollte die Finger von Bayreuth lassen aufgrund der oben genannten Nachteile. Wer wirklich Interesse an der Versicherungsmathematik hat, sollte sich über den Wirtschaftsmathestudiengang in Ulm oder FH Rosenheim schlauer machen. Wer ein Interesse an der Statistik hat, kann sich die Tipps aus dem vorherigen Part durchlesen. Die Uni Würzburg ist auch eine gute Uni, wenn man sowohl Interessen in der Finanz-/Versicherungsmathe und Stochastik hat.


Alles in allem kann die Uni Bayreuth das Richtige sein, muss es aber nicht. Für mich war es definitiv die falsche Entscheidung. Für einige meine Mitkommilitonen, die auch ihren Master dort gemacht haben und sich bei mir darüber echauffieren, dass sie effektiv nichts Praktisches können, auch. Letztendlich ist die Wahl im Master viel wichtiger als im Bachelor. Wer sich also für diese Uni entscheidet und später merkt, dass die Uni doch nicht das Richtige war, kann das im Master immer noch ausgleichen. An der Stelle noch ein letzter Hinweis. Im Bachelor können auch schon Mastervorlesungen belegt werden, sodass die später problemlos im Master angerechnet werden können. Oftmals kriegt man also den Tipp von den Dozierenden, dass man das doch wahrnehmen soll, damit man dann nicht soviel im Master machen muss. Das ist ein sehr mieser Tipp, wenn man gar nicht in Bayreuth bleiben möchte. So werden Leute, die eigentlich gar nicht ihren Master in Bayreuth machen wollen, dazu verleitet, trotzdem ihren Master dort zu machen, weil die dann denken "Jetzt hab ich ja schon einen Teil gemacht, da kann ich den Rest auch noch hier machen". Leider ist es ein paar meiner Mitkommilitonen so ergangen, die sich sehr darüber ärgern und sich durch den Master durchquälen mussten. Deshalb hat sich spaßeshalber unter den Studierenden der Slogan "Wenn dich Bayreuth einmal hat, lässt es sich nicht mehr los" etabliert. Der ist insbesondere schlimm, weil Bayreuth eine echt deprimierende Stadt ist, was einem auf dem ersten Blick nicht auffällt, aber deutlich wird, wenn man dort etwas länger lebt.

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

3.9
Pascal , 10.10.2022 - Wirtschaftsmathematik (B.Sc.)
3.7
Julia , 20.12.2016 - Wirtschaftsmathematik (B.Sc.)
3.2
Elena , 25.02.2015 - Wirtschaftsmathematik (B.Sc.)

Über Antonia

  • Alter: 21-23
  • Geschlecht: Divers
  • Abschluss: Ja
  • Studiendauer: 8 Semester
  • Studienbeginn: 2017
  • Studienform: Vollzeitstudium
  • Standort: Uni Bayreuth
  • Weiterempfehlung: Nein
  • Geschrieben am: 11.08.2023
  • Veröffentlicht am: 17.08.2023