Einfach nur ein Jura Ersatz?

Es ist noch mehr.
Mehr Kurse, mehr Wissen, mehr Stress und mehr Unsicherheit.

Mehr Kurse? Man studiert die grundlegenden (nicht alle, aber das meiste) juristischen Themen in den gleichen Kursen wie die Juristen. Ist schließlich in der juristischen Fakultät angesiedelt. Zu den anspruchsvollen Jura-Kursen gibt es aber noch Informatik-, Wirtschafts, und Legal-Tech-spezifische Themen. Es sind ca. 60% Jura, 40% der Rest.
Also ein volles Programm, mehr rundum Wissen.
Wer Jura schwer, aber machbar findet, wird mit dem zusätzlichen Rest an seinen Grenzen gekitzelt. Es fühlt sich aber hauptsächlich wie ein Jura Studium an, bei dem wirtschaftstechnische Bezüge hinzukommen. Vom Gefühl 70% Jura, 30% der Rest. (Deswegen auch die Wortwahl "Rest").
Es ist ein neuer Studiengang. Das heißt es wird viel geändert und vieles ist noch nicht klar. Kurse und Termine könnten sich jederzeit ändern. Da fühlt es sich an, dass das Studium auf Zehenspitzen um die restlichen Studiengänge herum organisiert wird. Das sorgt für viel Unsicherheit. Ist die Basis nicht stabil, kann es wackeln. Am Studiengang selbst, und an dem Wohlbefinden im Studium.

Studieninhalte: Orientiert an Jura. Wer Vorwissen hat in jeglichen Bereichen kommt gut zurecht. Wem das neu ist, hat muss an dem Frontalwissen und an der Powerpointwelle irgendwie durch. Selbst bei praktischen Themen wie Programmieren kommt man nicht an trockenen Powerpoints vorbei.

Dozenten: Die meisten sind super. Sehr gut in ihren Bereichen informiert und einige können sogar das umfangreiche Wissen gut vermitteln. Leider hat man mit einigen Dozenten zu kämpfen, bei denen so viel Unsicherheit herrscht wie mit der Entwicklung des Studiengangs.
Auch wenn sie ihr Wissen gut beherrschen, ist das vermitteln und der pädagogische Aspekt bei manchen eine Hürde. Von unklaren und unkommunizierten Verpätungen bis zu passiv-aggressive und ironisch ausgedrückte Antworten um nicht genau aufs Thema einzugehen, weil bei berechtigten Fragen keine Antwort da ist. Wenn das für noch mehr Unsicherheit unter den Studierenden sorgt, darf man kein Verständnis erwarten, sondern noch mehr passive Aggressivität in Form von versuchtem Sarkasmus. Wenn so etwas von Dozenten aus dem Legal Tech Studiengang hervorgeht, macht man sich umso mehr Sorgen.

Lehrveranstaltungen & ihre Ausstattung: So ziemlich parallel verlaufend mit den Dozenten. Es gibt echt gute und interessante Veranstaltungen. Andere Themen die an sich interessant sind werden durch Trockenheit ausgeschöpft. Über die Zukunft dieser ist man sich im Unklaren. Inhalte könnten sich für die nächsten Generationen anders gestalten. Experimentell könnte man als Beschreibung nennen. Genug Platz gibt es bedingt, aber es funktioniert. Die Räume werden auch nur an den anderen Studiengängen herum eingeteilt, also hat man manchmal zu enge Räume. Die Zeiten unterscheiden sich demnach auch von Semester zu Semester sehr stark. Man muss in Sachen Stundenplan extrem flexibel sein wenn es von Semester zu Semester geht. Entweder man ist viel Vormittags anwesen, oder Abends bis in die Dunkelheit. Oder beides.
Medien (hauptsächlich Powerpointpräsentationen) werden eingesetzt. Teilweise sogar auch noch Overheadprojektoren.

Mit den schon erwähnten Punkten gibt es deswegen auch viel Unsicherheit in Sachen Organisation. Man muss sich daran gewöhnen Klausuren mitten in der Vorlesungszeit zu schreiben und auch nach der Vorlesungszeit. Manchmal ist also das ganze Semester eine reine Klausurenphase wegen dem Umfang der ganzen Veranstaltungen. Terminüberschneidungen kommen auch manchmal vor und da es in der Hinsicht keine Kommunikation oder Nachsicht gibt, muss man damit irgendwie auskommen. Aber immerhin betrifft es nicht die wichtigsten Veranstaltungen. Aber technisch funktionieren die Webseiten meistens sehr gut. Manchmal ein bisschen kompliziert aufgebaut, also muss man nachfragen und auf eine Antwort hoffen.

Der Literaturzugang ist super. Online und vor Ort sind Bibliotheken auf einem sehr guten Stand und man findet sich gut zurecht. Überfüllt sind die Bibliotheken auch nicht. Zu Klausurenphasen kommt es an seine Grenzen, aber wenn man irgendwo lernen will, kommt man schon irgendwie zurecht.

Der meiste Lernstoff steht auch Online zur Verfügung. Oft gibt es auch weiterführende Ergänzungen und man kann auch in Foren auf der Uni Plattform selbst Fragen stellen.

Soziales: In den genauen Beschreibungen nicht oft genannt, aber ein doch sehr wichtiger Aspekt - wie ist das soziale Leben mit Legal Tech auf der Uni Passau?
Es mag an den letzten Jahren der Isolation liegen, aber nicht viele sind locker und gesprächig. Am Anfang des Studiums bilden sich einige kleine Gruppen, vor allem in Jura. Die Orientierungsphase orientiert sich auch nur an Jura. Etwas Legal Tech spezifisches gab es nicht. Die sozialen Termine in der Orientierungsphase hatten meistens irgendwas mit Feiern und Alkohol zu tun, wem das also nicht liegt, könnte Schwierigkeiten dabei haben, sich sozial einzufinden. Auch im Legal Tech Studiengang sind sich viele Fremd und man fühlt sich nicht als kleiner exklusive Gruppe neben Jura, sondern wie ein paar Sandkörner verteilt neben dem Sandkasten. Initiativen Legal Tech Studierende kennenzulernen gibt es nicht wirklich. Es soll einen Stammtisch außerhalb des Universitätsgeschehens geben, aber wie genau das so abläuft konnte bisher niemand beantworten, was darauf schließen lässt, dass aus Unsicherheit und Unklarheit wenige sich trauen hinzugehen.

Insgesamt muss man sich über den Umfang im klaren sein. Es ist viel und nicht einfach. Es sind interessante Themen und wer Rechtswissenschaften und dazu noch Wirtschaftsinformatik mag, dem könnte es zusagen. Man muss zeitlich flexibel sein und sehr gut planen können. Zudem muss man hoffen, dass der Studiengang nicht ein Experiment ist und die Studierenden in Legal Tech nicht nur Versuchsobjekte sind. Es ist ein eher einsamer Studiengang.