Renomiert, aber überholt und bessere Alternativen

Ich komme aus Heidelberg und studiere, wenn man schon eine juristische Fakultät mit sehr gutem Ruf in seiner Heimatstadt hat, deshalb hier. Das war es dann aber ehrlich gesagt auch.
Das Jurastudium in Deutschland ist dringend reformbedürftig. Die Ausrichtung am Bild des Volljuristen und des Berufs Richter führen dazu, dass Sie in ihrem Studium mit einer Bandbreite an Stoff überschwemmt werden, die unmöglich zu beherrschen ist und zudem für einen Großteil der Absolventen, die eben doch Anwalt werden wollen, wenig praktisch Relevantes gelehrt wird. Natürlich ist dies eine politische Entscheidung und sofern sie in Deutschland Anwalt oder Richter werden wollen, müssen sie eben das Staatsexamen machen.
Die Universität Heidelberg hat einen sehr guten Ruf und entsprechend hochkarätige Dozenten. Die Anforderungen an die Prüfungen im Studium selbst und für das Staatsexamen divergieren jedoch stark, weshalb die Lehrveranstaltungen an der Universität völlig ungeeignet sind, um sie auf das, was am Ende einzig zählt, nämlich ihr Staatsexamen, vorzubereiten. Glücklicherweise gibt es in Heidelberg aber im Vergleich recht gute Repititorien, die sie dafür besuchen können. Ansonsten werden Sie im Studium aber insbesondere von Ihrer Universität vollkommen allein gelassen. Das Juristische Seminar ist ein einsturzgefährdetes, vollkommen heruntergekommenes Gebäude, die meisten Kommilitonen sind aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks sehr unfreundlich, je näher das Examen kommt, herrscht eine zum guten Teil feindselige Atmosphäre.
Dazu kommt, dass Sie sich durch ein Studium in Baden-Württemberg freiwillig dafür entscheiden, aufgrund der unterschiede auf Landesebene, das zusammen mit Bayern wohl schwierigste Staatsexamen in Deutschland abzulegen. Im Gegensatz zu manchen Bundesländern wie NRW haben Sie hier nicht die möglich, den kaum eingrenzbaren Examensstoff durch sog. "Abschichten" gezielt für mehrere Teilprüfungen lernen zu können, sondern müssen wirklich alles auf einmal in einer Prüfung können. Das bedeutet einen enormen psychischen Druck und einen Richtung Examen sehr ungesunden Lebensstil. Am Ende wird Ihnen das niemand danken.
Wenn Sie ein im Vergleich zu anderen Ländern sowieso schon überhohltes Staatsexamen ablegen möchten, dann würde ich Ihnen dringend empfehlen, entweder an der Universität Mannheim oder an der Bucerius Law School zu studieren. In Mannheim haben Sie die Möglichkeit, nach sechs Semestern einen Bachelor in BWL zu machen und zwei Jahre später darauf aufbauend das Staatsexamen abzulegen. So ist der psychische Druck, der aus der Angst entsteht, beim Durchfallen vor dem Nichts zu stehen, deutlich geringer. Oder Sie haben sich bis dahin entschieden, dass Ihnen BWL besser gefällt und machen einen Master.
An der Bucerius Law School erhalten sie bei hohem Arbeitspensum wenigstens eine exzellente Betreuung und schreiben ein vergleichsweise einfaches Staatsexamen, weil Sie sich in Hamburg befinden.
Wenn Sie unbedingt in Heidelberg studieren wollen, würde ich Ihnen empehlen, hier anzufangen, dann ein Auslandssemester zu machen und im Anschluss daran nach NRW zu wechseln. Dann können Sie in Heidelberg in einer schönen Stadt mit Studentenleben studieren und sobald das Examen näher rückt, haben Sie die erklärten Vorteile des "Abschichtens".
All dies war mir vor Antritt meines Studiums - woher auch - leider nicht bewusst. Insofern rate ich Ihnen wirklich, dies zumindest einzukalkulieren.