Bericht archiviert

LA-Studium: ungeliebtes Nebenprodukt von BA/MA

Physik (Staatsexamen) Lehramt

  • Studieninhalte
    1.0
  • Dozenten
    3.0
  • Lehrveranstaltungen
    2.0
  • Ausstattung
    4.0
  • Organisation
    3.0
  • Gesamtbewertung
    2.6
>>> tl;dr ganz unten mal mit einem Diagramm:

Die (normalen Klammern) kennzeichnen, was Schüler wissen müssen.
Die [eckigen Klammern] kennzeichnen, was Physiklehrer lernen sollten.
Die {geschweiften Klammern} kennzeichnen, was der Inhalt unseres Studium ist.

[ ( ) ]


{ }

Das fragwürdige Curriculum und die mangelhafte "Interpretation" der Veranstaltungen sind die eigentlichen Probleme dieses Studiengangs, die der - was Bachelor- und Masterstudiengänge anbelangt - sonst eigentlich ganz gut bewerteten Fakultät (CHE-Ranking ahoi) nicht gerecht werden. Es gibt kein schlüssiges und aufeinander aufbauendes Konzept dafür, wie Physik-Lehramts-Studenten die Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen sollen, die sie allein schon zum Bestehen der Prüfungen bräuchten - geschweige denn die, die ein Lehrer aufweisen sollte.

Es fängt damit an, dass in den Experimentalphysik I und II jeweils Mechanik/Thermodynamik bzw. Elektrodynamik/Optik dran kommen SOLLTEN, praktisch aber werden nur die je ersten Teile geschafft.
Tatsächlich haben wir also keine (experimentelle) Thermodynamik und (gar) keine Optik gehört. Als Lehramtsstudenten.

Weiter geht es mit einer starken Betonung der theoretischen Physik. In 4 Veranstaltungen zu 3 x 8 und 1 x 6 ETCS hören wir die Theoretische Mechanik, Elektrodynamik, Quantenmechanik und Statistische Thermodynamik. 30 LP auf diesen Themen könnte man natürlich als eben das spezifische Profil des Jenaer Studiums verstehen - dann jedoch sollten die Fragen dazu beantwortet werden können, wo a) die mathematischen Fähigkeiten zum verständigen Veranstaltungsbesuch herkommen sollten und b) wozu das alles in dieser Form nutzt, wenn man Physiklehrer werden möchte.
Studiert man Mathematik als zweites Fach, hat man noch eine ganz gute Chance, inhaltlich folgen zu können. Mit einem anderen Fach hatte man keine Algebra und keine Analysis und auch die Veranstaltung Mathematische Methoden der Physik ist die einzige obligatorische, die einem (sehr intensiv und durchaus überfordernd) die Mathematik beibringen würde.
Und so prinzipiell auch nichts dagegen spricht, (weit) mehr zu wissen, als für die Schule nötig, ist es doch maßlos demotivierend, komplexe mathematische Formalismen beigebracht zu bekommen, wenn man parallel die Phänomene nicht erklärt bekommt, die diese beschreiben sollen.

Der Kenner merkt es bereits: die Lehramtsveranstaltungen des Fachstudiums sind einfach dem Bachelorstudium entnommen.
Das führt so weit, dass selbst Veranstaltungen, die "(...) für Lehramt" heißen, zur Hälfte von Nicht-Lehrämtlern besetzt sind, was den Dozenten dann natürlich auch nochmal das Zeichen gibt, dass sie ruhig so lesen können, wie sie es gewohnt sind.

Details wie eine fragwürdige Reihung der Veranstaltungen (Atomphysik VOR der Quantenmechanik? Ein Grundpraktikum, das von der ersten Woche an die Inhalte der ersten beiden Semester hat?) sind da beinahe nebensächlich.

---

Die Dozenten sind fraglos Kapazitäten auf ihren Gebieten, nur merkt man ihnen leider auch an, dass sie mit der Vermittlung eine Nicht-Physiker überfordert sind bzw. ganz allgemein nicht unbedingt auf Studenten losgelassen werden sollten, die nicht sowieso schon alles wissen, was sie eigentlich erst lernen sollten.
Ich hatte bisher keine Veranstaltung, in der alles geschafft wurde, was geplant war. Mal waren das Kleinigkeiten, manchmal ganze Komplexe. Natürlich wird später dennoch vorausgesetzt, dass alles behandelt und bestens verstanden wurde.

Die Übungsserien, die in Heimarbeit zu bearbeiten sind und in den meisten Fällen bewertet werden und damit zur Klausurzulassung dienen (was nicht sein dürfte, aber das ist egal - es interessiert auch niemanden, dass Ergebnisse nicht mehr offen aushängen dürften. Details, ... pft.), liefern die zu ihrer erfolgreichen Bearbeitung nötigen Fähigkeiten ... nun, im Nachhinein.
Richtig gehört: statt in den Seminaren die Kompetenzen zu entwickeln, werden diese nur abgefragt. Immerhin gibt es für die ganz fiesen Veranstaltungen regelmäßige Tutorien, die aber auch nicht immer alles nachholen können, was Dozenten und Seminarleiter versäumen.

---

Der fachdidaktische Teil des Studiums sieht schon besser aus, ist aber von "gut" leider noch recht weit entfernt. Einzelne bemühte Dozenten reißen leider nicht, was strukturell oder vom Lehrstuhl her fehlkonzipiert bzw. fehlbesetzt ist.
Die Vorlesungen werden von Leuten gehalten, die leider mit der Schulpraxis wenig zu tun haben und daher ein wenig wie Jungfrauen über die Niederkunft berichten. In "Schülerexperimente" wird aber immerhin ein gewichtiger Teil der Arbeit als Lehrer abgedeckt.

---

Platz- und Raumprobleme gibt es eigentlich nie. Dadurch, dass wir so wenige sind, könnten die meisten Vorlesungen auch in Pausenräumen stattfinden. Für eigenständige Gruppenarbeit findet sich eigentlich auch immer ein Raum.
Bücher gibt es auch zur Genüge - die Ausstattung an Literatur ist sogar erstaunlich gut. Diverse Sachen werden auch digital zur Verfügung gestellt.

---

Das Physikstudium ist und bleibt eines von Stift und Papier - zumindest, wenn man wie unsere Fakultät einen so starken Fokus auf Rechnerei legt und Wissen um Anwendung und Phänomene sekundär sind.
Daher überrascht auch nicht, dass die meisten Dozenten mit der Tafel und einem Stück Kreide komplett ausreichend ausgestattet sind. Das machen sie auch ganz gut, fallen damit aber auch ein wenig aus der Zeit. Aber irgendwas ist ja immer.

---

Die Uni selbst gefällt hingegen - wie auch Jena als Universtitätsstadt. Ich lebe gern hier und hätte ich nicht den ganzen Arsch voll mit leider zu viel sinnloser und zu wenig sinnbehafteter Arbeit, könnte man hier auch echt prima soziales Leben verleben.

---

tl;dr

- ohne Mathe als zweites Fach ist man aufgeschmissen und braucht mehr Glück als Verstand
- absurder hoher Arbeitsaufwand für Themen, die man für die Schule nicht braucht
- schulrelevante Inhalte sind extrem unterrepräsentiert

Sollte das Curriculum angepasst werden und ein eigenständiger Lehramtsstudiengang entstehen, könnte sich das Studium in Jena wieder lohnen.
So kann man es mit Mathe als Zweitfach zwar probieren, aber ein guter Lehrer wird man dann höchsten TROTZDEM, nicht WEGEN des Studiums.
  • extrem geringe Studentenzahlen ermöglichen engen Kontakt zu Kommilitonen und Dozenten, Jena ist eine tolle Stadt
  • man lernt fast ausschließlich für Prüfungen, die man nur mit Glück besteht - und meilenweit an den Inhaltenen vorbei, die man als Lehrer bräuchte

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

3.9
Nina , 27.02.2024 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
3.7
Yessica , 20.10.2023 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
4.7
Lucas , 20.09.2023 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
4.9
Richard , 27.07.2023 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
5.0
Pauline , 09.12.2022 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
4.7
Pauline , 31.10.2022 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
5.0
Philipp , 12.09.2022 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
4.0
Kimberley , 10.08.2022 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
5.0
Anni , 05.02.2022 - Physik (Staatsexamen) Lehramt
4.6
Anonym , 23.12.2021 - Physik (Staatsexamen) Lehramt

Über Manfred

  • Alter: 30-32
  • Geschlecht: Männlich
  • Abschluss: Ich studiere noch
  • Studienbeginn: 2013
  • Studienform: Lehramt (GyGe)
  • Standort: Universitätshauptgebäude
  • Weiterempfehlung: Nein
  • Geschrieben am: 05.02.2016
  • Veröffentlicht am: 12.02.2016