Diskursverengung

Islamwissenschaft (M.A.)

  • Studieninhalte
    2.0
  • Dozenten
    3.0
  • Lehrveranstaltungen
    2.0
  • Ausstattung
    4.0
  • Organisation
    3.0
  • Literaturzugang
    5.0
  • Gesamtbewertung
    3.2
Diejenigen Seminare, die sich grob gesagt vormoderner Geschichte bzw. den Grundlagen des islamischen Rechts, der Exegese, der Koranentstehung usw. widmen, sind generell solide, wobei hier das Niveau und der Anspruch natürlich stark vom dem / der jeweiligen Dozenten bzw. Dozentin abhängen. Generell würde ich das wissenschaftliche Niveau in der Balance zwischen Dozenten und Studenten nicht unbedingt als "exzellent" bezeichnen, auch wenn die Universität natürlich gerne herausstellt, dass sie Teil des "Exzellentclusters" ist - vielleicht in der Forschung und der Drittmittelakquise, aber nicht in der Lehre. Die wenigen sprachbezogenen Kurse im Master kranken grundsätzlich am mangelnden Niveau der allermeisten Studenten, und manchmal auch der Lehrkräfte. Der Fokus des Masters wie auch der allermeisten Studenten liegt eben eher im Bereich der jüngeren, islambezogenen Geschichte und Politik, nicht auf islamischem Recht des 13. Jhr., der neueren Korangense-Forschung à la Neuwirth oder dem Studium des (Hoch-)Arabischen. Genau in diesem Bereich aber gibt es ein eklatantes Problem:

Diejenigen Veranstaltungen, die sich mit "Islam in Europa" sowie islamisch-westlicher Geschichte seit dem 18/19 Jhr. beschäftigen (und letztlich den Fokus dieses Masters bilden), sind von einer erschreckenden ideologischen Einseitigkeit geprägt. In einer geradezu protoreligiösen Form werden die maßgeblichen Vertreter der postmarxistischen/postmodernen/postkolonialen/subalternen Tradition - Gramsci, Said, Spivak, Homi Bhaba, Fanon usw. - wie Propheten rauf- und runterzitiert, ohne jegliche kritische Distanz zu deren Theorien. Man erfährt beispielsweise nicht etwa Wissenswertes zum Funktionieren, zu den Eigenheiten, zu den Ambivalenzen des Kolonialismus (ein Hauptfokus), sondern man begnügt sich größtenteils damit, ihn als "böse" zu deklarieren. Die Seminare ergehen sich darin, dass die Mehrheit in kollektiver Entrüstung über die Obszönitäten des zur Inkarnation des Bösen essentialisierten 'Westens' schwelgt und reihum anekdotische Geschichten über die anhaltende Perfidität 'westlicher Dominanz' zum Besten gibt. Anachronistische Moralurteile und eine geschichtliche Opfer-Täter-Dichotomie sind gefragt, nicht historisches Verstehen.

Widerspruch, Gegenrede oder kritisches Hinterfragen sind nicht gerne gesehen, sondern im Gegenteil sofort verdächtig, besagte Perfidität zu verharmlosen oder zu "verschleiern" und deshalb äquivalent zur Verharmlosung von Kolonialismus und Rassismus. Die Diskursverengung erfolgt nicht etwa durch einen Verweis aus dem Seminarraum, sondern ganz subtil durch unterkühlte Blicke, durch kollektives Raunen, durch paternalisierende Belehrungen und die Tatsache, dass auf Gegenargumente nicht eingegangen, sondern vielmehr eine niederträchtige, den Argumenten vermeintlich zugrundeliegende Motivation unterstellt wird.

Diese Atmosphäre wird zum großenteil von den Mitstudenten selbst getragen, spiegelt sich aber symbiotisch in den Dozenten wider, welche die Diskursverengung zwar meist nicht offensiv unterstützen, aber stillschweigend und wohlwollend hinnehmen. Diese Veranstaltungen sind keine Orte für kritisches Denken, eher das Gegenteil. Man präsentiert sich natürlich gerne als kritisch und revolutionär und hüllt sich in der Tradition des Postmodernismus in ebenso klug klingende wie nichtssagende Begriffe, von denen die Hälfte der Studenten, die sie in den Mund nehmen, nicht einmal im Ansatz wissen, was sie bedeuten. Aber die Dozenten bemüßigen sich natürlich auch nicht, solche Grundlagen der Theorie zu vermitteln, denn das hieße ja, sich tatsächlich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen.

Es geht mir nicht darum zu sagen, dass der diese Theorien per se keine interessanten Erkenntnisse hätten. Aber sie müssten gleichberechtigt mit anderen Theorien und Ansichten diskutiert, verglichen und bewertet werden. Doch hier wird eine Interpretation der Geschichte, ein epistemischer Rahmen zur Ideologie erhoben, die man nicht mehr hinterfragen soll, und deren ideologisches Fundament nie auf seine Nieren geprüft werden darf. Und das ist nicht nur eines Masters unwürdig, das ist der Wissenschaft unwürdig.
  • Sehr nettes und hilfsbereites Sekretariat, gute Bibliotheken, einige gute Dozenten
  • Extrem behäbige Verwaltung, nicht allzu vielfältiges Kursangebot, zu wenig Grundlagenvermittlung in relevanter Theorie, Diskursverengung (s.o.)

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

3.6
Annik , 03.12.2023 - Islamwissenschaft (M.A.)
4.1
Alexander , 01.08.2023 - Islamwissenschaft (M.A.)
2.7
Mohammed , 10.01.2022 - Islamwissenschaft (M.A.)
3.0
Milan , 05.05.2021 - Islamwissenschaft (M.A.)
4.4
Wiwi , 21.04.2021 - Islamwissenschaft (M.A.)
4.3
Nora , 24.10.2018 - Islamwissenschaft (M.A.)
4.0
Anna , 20.09.2016 - Islamwissenschaft (M.A.)
4.0
Nada , 24.02.2015 - Islamwissenschaft (M.A.)

Über Leon

  • Alter: 27-29
  • Geschlecht: Männlich
  • Studienbeginn: 2017
  • Studienform: Vollzeitstudium
  • Standort: Standort Berlin
  • Weiterempfehlung: Nein
  • Geschrieben am: 28.12.2021
  • Veröffentlicht am: 28.12.2021