Strukturelle Vollkatastrophe

Philosophie/ Praktische Philosophie (M.Ed.) Lehramt

  • Studieninhalte
    1.0
  • Dozenten
    1.0
  • Lehrveranstaltungen
    1.0
  • Ausstattung
    1.0
  • Organisation
    1.0
  • Literaturzugang
    4.0
  • Digitales Studieren
    2.0
  • Gesamtbewertung
    1.6
Studiere Philosophie als Kernfach in der nicht-Lehramtsvariante nun im ersten Semester. Somit ist es bloß 25% des Studiums, aber das erste Semester reicht bereits aus, um ein vernichtendes Urteil zu fällen.
Aus mehreren Gründen ist es strukturell ein Disaster:
-manche Kommilitonen fangen erst im Master mit philosophischen Inhalten an. Anscheinend gäbe es sonst zu wenige Teilnehmer, damit der Studiengang offziell stattfinden kann? Dies hat zur Folge, dass eine maximale Diskrepanz zwischen den Kompetenzen der Teilnehmer besteht. Warum das völlig absurd ist, braucht hier nicht weiter vertieft werden. Stellt euch mal vor, in einem anderen seriösen Studiengang kennt ein Student im Masterseminar ganz grundlegende Konzepte und Methoden des Faches nicht. Etwa ein Biologie Masterstudent der die Zwischenfrage stellt, was nochmal einen Zellkern ausmacht..

-Aber selbst die Kommolitonen, die Philosophie im Bachelor hatten, können so gut wie gar nichts. Das mag extrem arrogant klingen, lässt sich aber bei wirklich jeder Veranstaltungssitzung beobachten. Es ist unglaublich. Ganz banale Grundlagen werden oft gar nicht gekannt. Besonders lässt sich das bei den Lehramtsstudenten beobachten. Ich kann nicht genau benennen, woran das liegt. Aber anscheinend muss man als Lehramtsstudent die Inhalte seines Faches nichtmal ansatzweise beherschen. Somit erlebe ich nun endlich aus erster Hand, wie es sein kann, dass so viele Lehrer damals völlig inkompetent waren.
-Die Dozenten tragen dafür natürlich eine Mitschuld. Denn es ist die Verantwortung des Lehrstuhls, sicherzustellen, dass gewisse Qualitätsstandards eingehalten werden. Dies ist aber nicht der Fall. Es könnten sich random irgendwelche Personen in die Veranstaltungen setzen und diese wären ununterscheidbar von den tatsächlichen Studenten. Aber selbst Doktoranden haben teilweise ganz fundamentale Lücken in ihrem methodologischen Verständnis.
Noch skurriler ist aber, dass viele der Dozenten selbst manche Grundlagen gar nicht draufhaben und das ist das wirklich fatale. Das Problem an akademischer Philosophie ist, dass sie nicht wirklich existiert. Es gibt keine mehr oder weniger objektiven Qualitätsstandards. Das hat zur Folge, dass sich die Stile der Dozenten sehr unterscheiden. Das ist ansich kein Nachteil, wird aber zu einem, wenn Dozenten über ihr Spezialgebiet hinaus völlig aufgeschmissen sind.
So ist im Modulhandbuch zB explizit geregelt, worauf Veranstaltungen ausgelegt werden sollen. Doch dieses Modulhandbuch ist eher als Mythenbuch aufzufassen. Denn die Vorgaben werden fast nie erfüllt. Wenn ich in Veranstaltungen sogar explizit einfordere, dass sie erfüllt werden, interessiert das wenig. So hat mit der Studienfachberater in einem persönlichen Gespräch gesagt, dass das Modulhandbuch keine rechtliche Bindung oder Relevanz hat. Ganz besonders absurd war es, als ich in einem Metaethik-Modulelement den Veranstalter gefragt habe, inwiefern der Metaethik Fokus ausfallen wird, und der Dozent der Frage auswich und suggerierte, dass er mit dem Begriff Metaethik gar nichts anzufangen weiss. Maximal absurd.
Dazu kommt, dass die Themenvielfalt nicht besonders hoch ist. Der Fokus scheint besonders auf Kant und science fiction Zeitphilosophie zu liegen. Exotischere Strömungen, die mein persönlicher Fokus sind, werden entweder nicht gekannt, oder teilweise ungern gesehen: Poststrukturalismus, Metamodernismus, Slavov Zizek, Psychoanalyse nach Lacan, Experimentalphilosophie, Philosophische Methodologie mit Fokus auf Sprachphilosophie. Zwar bringt Professor B. noch etwas Varianz rein, aber er ist wiederum nicht geschult in analytischer Philosophie, was dann zu einer komischen Unvollkommenheit führt.

Das nächste Problem ist, dass uns gar nicht richtig beigebracht wird, was Wissenschaft oder wissenschaftliches Schreiben eigentlich sind. Diese Begriffe sind regelrechte Mythen. Ja sogar erhabene Objekte der Ideologie. Sie werden ständig gefordert. Wenn es aber darum geht, unmissverständlich zu explizieren, was genau das sein soll, kommen die Dozenten immer ins schwurbeln. Die Forderung nach einem mehr oder weniger normativ-objektiven Kriterienkatalog bleibt unbeachtet. Philosophie ist meiner Ansicht nach keine Wissenschaft, und das ist gar nicht abwertend gemeint. Vielmehr soll damit ein Wissenschaftsbegriff vermieden werden, der extensional inflationär und somit intensional deflationär ist. Aber darüber darf nicht geredet werden. Denn sobald dies in der Offenheit getan würde, die nötig wäre, würde sich zeigen, dass das Konzept der Wissenschaftlichkeit in der Philosophie ziemlich widersprüchlich ist.

Letztlich entsteht durch diese ganzen Probleme eine absolut leidenschaftslose Atmosphäre. Philosophie scheint das Fach zu sein, dass man notgedrungen rauspickt, weil man noch ein Füllfach braucht. Die Studenten haben zum Großteil kein Bock und weigern sich wehement die methodischen Grundlagen zu lernen. Die Dozenten haben (vermutlich teilbedingt dadurch) keine allzugroße Lust besonders anregende Veranstaltungen zu gestalten (was verständlich ist). Das führt zu einem positiven (negativen) Feedback-Loop. Das absurdeste daran ist aber, dass die Veranstaltungen LEICHTER sind als im Bachelor. Eben bedingt dadurch, dass die Studenten ohne philosophische Vorbildung nicht mitkommen würden?

Es braucht dringend jemanden, der mal ordentlich aufräumt. Aber ausgehend davon, wie die Machtverhältnisse in dem Studiengang ausgelegt sind, ist das wohl unmöglich. Man kann letztlich nicht mehr tun als sich der symbolischen Ordnung zu unterwerfen und nicht zu kritische Fragen zu stellen. Der Status-Quo und Höfflichkeitsmaximen stehen über allem anderen. Aus wissenschaftssoziologischer Sicht hingegen ist diese ganze Show sehr faszinierend.
  • Extrem einfach
  • Extrem einfach

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

3.3
Mia , 09.09.2022 - Philosophie/ Praktische Philosophie (M.Ed.) Lehramt
3.9
Alex , 07.11.2021 - Philosophie/ Praktische Philosophie (M.Ed.) Lehramt
4.6
Ludmila , 05.05.2021 - Philosophie/ Praktische Philosophie (M.Ed.) Lehramt
3.8
Hannah , 11.10.2019 - Philosophie/ Praktische Philosophie (M.Ed.) Lehramt
3.7
Anne , 09.09.2016 - Philosophie/ Praktische Philosophie (M.Ed.) Lehramt

Über Angelo

  • Alter: 27-29
  • Geschlecht: Männlich
  • Abschluss: Ich studiere noch
  • Aktuelles Fachsemester: 1
  • Studienbeginn: 2023
  • Studienform: Lehramt (GyGe, R, H)
  • Standort: Standort Siegen
  • Weiterempfehlung: Nein
  • Geschrieben am: 02.08.2023
  • Veröffentlicht am: 16.08.2023