Nicht genügend Praxisbezug

Man kann nicht behaupten, dass der Studiengang kein Wissen vermitteln würde, jedoch sollte man sich im Klaren darüber sein, dass er (für mein Empfinden) ausschließlich auf die Ausbildung für die akademische Forschung abzielt. GMP Kenntnisse, Projektmanagement oder sonstige Kompetenzen, welche Voraussetzung für die Industrie sind (in der geschätzt ca. 90 % aller studierten Biologen arbeiten), werden in diesem Studium nicht vermittelt. Solche Kenntnisse müssen nach dem Studium durch das Arbeitsamt finanziert nachgeholt werden. Insofern kann man den Abschluss meiner Meinung nach nur bedingt als berufsqualifizierend bezeichnen. Auch Kooperationen der Professoren mit Industriepartnern sind meines Wissens nach eher seltene Ausnahmen. Zudem drängen viele Professoren, dass man das im Lehrplan enthaltene „Betriebspraktikum“ bei ihnen in der Abteilung absolviert anstatt in einer Firma, um schon für die Bachelorarbeit vorzuarbeiten. Scheinbar dient der Studiengang weniger der akkuraten Ausbildung von Fachkräften, sondern vielmehr der Akquise günstiger Arbeitskräfte für die Professoren des Fachbereichs. Die Vorlesungen auf dem Lehrplan sind sehr breit gefächert, was einerseits gut ist, um einen breiten Überblick über das Feld zu erlangen, andererseits auch viel vergeudete Zeit bedeutet, da man, sobald man sich für eine Abteilung für die Bachelorarbeit entschieden hat, gut ein Drittel des gelernten wieder vergessen kann, weil es nie wieder Relevanz haben wird. Die Gebiete Virologie und Immunologie werden leider gar nicht gelehrt und generell wird zu wenig Bezug auf die nützliche und konkrete Anwendung biologischen Fachwissens genommen (Spätestens seit BioNtech sollte jedem klar sein, dass Biologie eben keine rein akademische Disziplin ohne Anwendung ist). Das Nebenfach Physik vermittelt leider vor allem für Biologen irrelevante Themen, während wichtige Themen wie Thermodynamik oder Kolloidphysik nicht vermittelt werden. Insbesondere diese Themen wären aber wichtig, um die Methoden der Molekularbiologie wirklich tiefgreifend zu verstehen. Molekularbiologische Methoden werden vor allem über die sehr vielen Praktika vermittelt. Da es leider keine ausführliche Methodenvorlesung gibt, geraten diese jedoch verhältnismäßig schnell wieder in Vergessenheit. Auf diese Weise werden die Methoden nie richtig vertieft, bis man sie in der Bachelorarbeit (Welche häufig auf gut und gerne 6 Monate ausgedehnt wird) erneut lernt und regelmäßig anwendet. Mein Fazit: Wer sich dazu berufen fühlt, sein Leben der akademischen Laufbahn zu widmen, der wird hier einen guten Start finden. Alle, die jedoch z.B. in der pharmazeutischen Industrie Karriere machen möchten, wären gut damit beraten, sich nach einem stärker praxisorientierten Studiengang umzusehen. Ich für meinen Fall würde diesen Studiengang nicht erneut wählen und wäre froh gewesen, wenn ich über die oben beschriebenen Dinge schon vorher Bescheid gewusst hätte. Selbstverständlich handelt es sich bei dem gesamten Text um meine persönliche Einschätzungen und Meinungen und vermutlich gibt es auch Absolventen, die das völlig anders sehen.