im Bachelor gut, mit dem Master wird es schwierig

Ich habe an der Uni Erfurt Wirtschaftswissenschaften und Sozialwissenschaften studiert und bin recht zufrieden damit. Besonders gut empfand ich die ersten beiden Semester, die sogenannte Orientierungsphase, in der alle Staatswissenschaftler, egal ob Rechts-, Wirtschafts-, Sozialwissenschaft oder internationale Beziehungen, die gleichen Module haben. Diese Module sind Vorlesungen zu jeweils jedem staatswissenschaftlichen Studiengang. So erkennt man in Semester 1 und 2, ob einem besonders gut Recht, Wirtschaft, Sozialwissenschaft oder gar Politik liegt/nicht liegt. Man hat dann die Möglichkeit bis zum Anfang des 3. Semesters die Studiengänge innerhalb der Staatswissenschaften zu wechseln, ohne dass man Stoff nachholen muss, was auf jeden Fall ein Plus ist. Meiner Erfahrung nach wechseln sehr viele Studenten, sind jedoch nach dem Wechsel viel zufriedener mit ihrer Entscheidung. Dennoch muss man sich bewusst sein, dass man durch dieses System vielleicht obligatorisch eine Vorlesung zu Völkerrecht oder Grundrechte hat, obwohl man, wie in meinem Fall, gar kein Recht offiziell studiert. Aber mit ein bisschen Fleiß packt man das.
Obwohl das interdiziplinäre Studieren seine Vorteile mit sich bringt und vielfältige Eindrücke schafft, kann man leider nicht nur eins der staatswissenschaftlichen Fächer studieren, sondern ist im Bachelor gezwungen ein Nebenfach zu wählen. Das kann jedoch Konsequenzen für einen Uni-Wechsel im Master haben. Da ich selbst einen MA nur in BWL studieren möchte, fehlen mir bei einigen Unis leider wertvolle Punkte in Wirtschaft als Zulassungsvoraussetzung, da ich anstelle dieser nun Punkte in Sozialwissenschaften habe. Dennoch gibt es einige Hochschulen, bei denen ein anschließendes auf ein Fach bezogenes MA-Studium möglich ist. Bleibt man nach dem Bachelor in Erfurt, kann man seinen Master entweder weiter interdisziplinär studieren oder sich auf nur ein Fach spezialisieren. Also im Zweifel bleibt man einfach an der Uni Erfurt für den Master. Durch das gemeinsame Studieren hat man in den ersten beiden Semestern Vorlesungen mit allen Staatswissenschaftlern ca. 500 Leute. Ab dem 3. Semester, wenn man nur noch seine zwei Wahlfächer studiert, gibt es kleinere Veranstaltung, und teils Seminare mit nur 30 Leuten, was eine perfekte Lernatmosphäre schafft - fast wie in einer Privatuni.

Nun zum Campusleben. Wertschätzen und vermissen werde ich, dass der Campus zentral auf einem Fleck gehalten wird und nicht komplett in der Stadt verteilt ist. Das erspart Anfahrtszeiten und ermöglicht einen entspannten Alltag an der Uni. Früh geht es in den Hörsaal, mittags in die Mensa, nachmittags ins Campuscafe und abends in die Bib, und das alles nicht länger als 2min Fußweg voneinander entfernt. Anfangs war mir dieses Kriterium bei meiner Studienwahl nicht bewusst, aber nun möchte ich den zentralen Campus nicht mehr hergeben. Die Bibliothek und 2 große Gebäude sind sehr modern und schön eingerichtet. Jedoch gibt es auch Gebäude, die mal wieder eine Sanierung benötigen. Zudem gibt es nur sehr wenig Sitzmöglichkeiten (im Sommer auf der Wiese zwar kein Problem = sehr grüner Campus), aber im Winter nervig.

Besonders hervorheben möchte ich Erfurt als Stadt an sich. Sie ist sehr sauber und sehr schön mit vielen kleinen verwinkelten Gassen, niedlichen Cafes, viel Grün, vielen Bars und Clubs. Die Stadt ist nicht zu klein und nicht zu groß. Für mich vom Land der perfekte Einstieg in eine etwas größere Stadt, in der man dennoch nicht verloren geht wie z.B. Berlin. Alles erreicht man sehr schnell (mit der Straßenbahn max. 15 min überall hin und mit dem Fahrrad ist man auch schnell am Ziel) und viele Studierenden aus größeren Städten, die normalerweise lange Fahrwege gewohnt sind, wertschätzen gerade dies. Man trifft oft ungeplant Freunde und Bekannte in der Stadt, was für ein freundliches beinahe familiäres Umfeld der Stadt spricht.