Bericht archiviert

Extrem anspruchsvoller Studiengang

Umweltsicherung (B.Sc.)

  • Studieninhalte
    4.0
  • Dozenten
    3.0
  • Lehrveranstaltungen
    2.0
  • Ausstattung
    2.0
  • Organisation
    3.0
  • Gesamtbewertung
    2.8
Ich habe in dem Sommersemester 2014 meinen Bachelor in Regelstudienzeit in diesem Studiengan abgeschlossen. Um ein möglichst gerechtes Bild davon geben zu können, möchte ich einen möglichst detaillierten Bericht schreiben, der aber auch etwas in die Länge gehen muss. Ich verweise aber hier darauf, dass meine Erfahrungen sich in jedem Einzelfall auf die Bereiche Geographie und Biologie beziehen, es sei denn ich verweise explizit anderweitig.

1) Studieninhalte:

Der Studiengan Umweltsicherung versteht sich als Querschnittsstudiengan zwischen den Disziplinen Geographie und Biologie und wird zudem ergänzt durch Kompetenzen aus den Bereichen Chemie und Technik. Das Erst- und Zweitfach sind Biologie respektive Geographie, im Wahlpflicht- und Ergänzungsfach können diese Inhalte entweder weiter vertieft oder durch andere Fächer wie Chemie, Physik, Wirtschaft, Pädagogik, Psychologie etc. ergänzt werden. Mandatorisch sind sowohl ein Betriebspraktikum im Umfang von 8 Wochen mit mindestens 40 h Kontaktzeit die Woche sowie unzählige Exkursionen und Geländeübungen. Der Studiengang ist äußerst Praktisch orientier und vermittelt ein breites, aber auch tiefreichendes Wissen.

2) Lehrveranstaltungen:
Was einer als Vorteil bezeichnet, kann auch hier ein Nachteil sein: Die kleine Uni Hildesheim ist oftmals überfüllt. Ich musste zu meiner Zeit regelmäßig in mit fast 40 Leuten besetzten Seminaren sitzen, welche jedoch nur für maximal 20 Personen ausgelegt waren. Abgesehen davon, dass die Räumlichkeiten oftmals zu klein sind, können nur in den seltensten Fällen Parallelkursen angeboten werden, sodass oft gelost wird, wer nun den Platz bekommt. Zwar werden hier tendenziell Studis in höheren Semestern bevorzugt, allerdings geschah dies meist nur zu meinem Nachteil, da in diesem Studiengang eine auffällig hohe Anzahl an Langzeitstudenten zu finden ist – von 43 Leuten, die den Studiengang angefangen haben, haben mich eingeschlossen nur 4 ihn in Regelstudienzeit geschafft! Wenn besagte Langzeitstudis im 8 Semester mir einen Platz klauen, den ich dringend brauche um in der Regelstudienzeit zu bleiben, ist das einfach Käse. Zum Thema Regelstudienzeit später mehr. Viele der Lehrveranstaltungen sind zwar wirklich interessant, aber bei manchen frage ich mich ernsthaft nach der Sinnigkeit. Um mal eine Handvoll aus meiner Sicht unnützer Pflichtveranstaltungen zu nennen: Wozu muss ich das Seminar „Humangeographische Arbeitsweisen“ belegen, in dem ich lerne, Interviews zu geben und Kinderzeichnungen interpretiere? Oder Wozu bitte eine Vorlesung „Verfahrenstechnik“, die stupide Verfahren bei der Raffination von Erdöl oder Stahlerzeugung behandelt? Auf der anderen Seite frage ich mich, wieso ich als Umweltsicherer nicht Kurse wie „Farne, Pilze und Algen“ belegen kann, sondern diese den Lehramtstudierenden vorbehalten werden?

3) Organisation:
Ein großer Mangel stellt wirklich die Organisation dar. Da der Studiengang recht neu ist, ändert sich die Studienordnung im Semesterrhythmus. Oftmals weiß man nicht, welche eigentlich für einen gilt und welche nicht. Das nächste Problem stell die dezentrale Organisation dar. Sowohl Hauptcampus als auch Studentenwerk, Immatrikulationsamt und Prüfungsamt sind über die Stadt verteilt. Insbesondere die letzteren drei weisen extrem kurze Sprechzeiten auf (praktischerweise dienstags und donnerstags vormittags, wo die meisten Seminare stattfinden!), sodass man einen unzumutbaren Aufwand betreiben muss, um sich sein Transcript of Records beglaubigen zu lassen oder Prüfungsleistungen eintragen lassen will.
Mittlerer Weile haben selbst die meisten Dozenten (einschließlich Dekane) die Inkompetenz der Verwaltungseinrichtungen satt (oftmals sind diese sich nicht mal intern einig, wer welche Dokumente unterschreiben darf). Dies führt aber immerhin dazu, dass man bei den Dozenten auf viel Unterstützung trifft, wenn es Probleme mit dem Studentenwerk oder Prüfungsamt gibt. Was ich auch positiv anrechnen lassen muss ist, dass die Dozenten nur in den wenigsten Fällen einen rausschicken, weil sie keine Zeit haben. Auch außerhalb ihrer offiziellen Sprechzeiten.

4) Ausstattung:
Ich muss leider sagen, dass die Institute für Biologie und Chemie sowie das Institut für Geographie vergleichsweise schwach ausgestattet sind. Viele Laborgerätschaften sind einfach in zu geringen Stückzahlen vorhanden (insbesondere Freiland-Probekoffer), sodass diese schon einige Male aus Hannover ausgeliehen werden mussten. Peinlich, peinlich. Zumindest das Umweltlabor ist sauber und die entsprechende Laborfachkraft sorgt immer für Ordnung und ist immer zur Hilfe bereit. Genügend Binos und Mikroskope gibt es zwar, doch sind einige davon defekt. Die Geographie wiederum hat zumindest eine beeindruckende Sammlung an Karten, welche bei Nachfrage ausgeliehen werden dürfen. Ein Arbeitsraum für Studierende ist dabei finde eher Standard.
In der Bibliothek sieht die Sache auch leider eher lau aus. Von einer kleinen Uni sollte man nicht zu viel Erwarten, also sollte man sich hier schon schnell ein Konto für die Fernleihe einrichten, es sei denn man ist mobil und kommt notfalls schnell in die Hannoveraner Uni-Bibliothek. Die meisten Bücher sind nur als Einzelexemplare zu finden und im schlimmsten Falle vergriffen, wenn man sie gerade braucht. Die meiste Literatur ist überdies äußerst alt (vor 2000), welches eigentlich in Naturwissenschaften nicht akzeptabel ist.

5) Campusleben:
Vom Campusleben konnte ich um ehrlich zu sein nicht allzu viel miterleben. Dies liegt zu 90 % daran, dass ich durch den studiengangsbedingten Workload schlichtweg keine Zeit dazu finde. Trotzdem finden regelmäßig Grillfeste, Weihnachtsfeiern und der gleichen statt, was ich der Uni auch hoch anrechne, auch wenn ich davon nicht viel habe.

6) Workload:
Nun kommen wir zum eigentlichen Kern meines Reviews, denn wenn man sich für eine Uni interessiert, dann möchte man auch wissen, wieviel Arbeitsaufwand einen eigentlich auch erwartet. Um erstmal klarzustellen, dass ich hier nicht nur meine subjektiven Erfahrungen schildere, möchte ich erstmal etwas ausholen.
Bekannter A studierte in Bremen Geschichte und Englisch auf Lehramt. Für 9 Leistungspunkte (auch Creditpoints, im Folgenden nur noch als LP abgekürzt) galt es, an einem Seminar teilzunehmen, ein Referat (15 min) zu präsentieren und eine Klausur zu schreiben (45 min).
Bekannte B studierte in Oldenburg und bekam für zwei Vorlesungen ohne Anwesenheitspflicht und zwei Klausuren 15 LP. Die Bachelorarbeit dauerte 3 Monate und gab 12 Leistungspunkte, 3 davon für die Anwesenheit in einem Kolloquium.
Bekannter C studierte in Kiel und bekommt für eine Latein-Vorlesung für das Anwesen-Sein 5 LP.
Nun zum Falle von Hildesheim. Hier ist der Workload ganz ungerecht zwischen den beiden Instituten aufgeteilt. Als Faustregel gilt dabei, dass das Institut für Geographie deutlich höhere Anforderungen hat: Das Minimum, dass es für 3 LP zu erbringen gilt, ist im Falle von Vorlesungen eine bestandene Klausur oder im Falle von Seminaren neben obligatorischer Anwesenheit ein 20 minütiges Referat oder eine 20 seitige Hausarbeit (auch bei Anwesenheit). Oftmals muss neben Referat oder Projekt auch eine benotete Klausur geschrieben werden. Soweit zum Minimum. Das Extremum, welches ich an eigener Haut erlebt habe war ein Seminar mit Anwesenheitspflich für 3 LP mit einem 15 minütigen Vortrag, 20 minütiger Diskussion sowie 20 seitiger Hausarbeit, alles zum gleichen Thema mit mindestens 15 Quellen, davon 5 Englisch. Nebenbei gesagt hat die Hildesheimer Uni-Bibliothek genau eine Quelle zu meinem Thema gehabt. Einen Reiseführer. Alles andere in der Geo liegt irgendwo dazwischen. Besonders grenzwertig finde ich, dass selbst für Eintagesexkursionen mindestens 10-seitige Protokolle abgegeben werden müssen, die zwar nur sagenhafte 0,3 LP wert sind, aber trotzdem benotet werden. In der Biologie ergibt sich die Note für das Exkursionsmodul hingegen aus der Note für die große Exkursion. Die Große Exkursion dauert in beiden Fächern 6-8 Tage und fordert auch einen Hausarbeit / ein Protokoll als Leistungsnachweis, wobei bei der Bio 10 Seiten Reichen, bei der Geo Richtung 20 tendiert wird. Leider lässt sich mit den Dozenten auf keine Weise bezüglich des ungeheuren Workloads reden und stößt da oft nur auf Unverständnis.
Wo ich schon bei dem Thema Leistungsnachweis bin: generell wird in meinem Studiengang bis auf wenige Ausnahmen alles benotet. Einzige Ausnahmen sind insgesamt 6 LP für zwei Seminare in der „Schlüsselkompetenz“ sowie das 8-wöchige Praktikum, welches zwar auch einen Bericht erfordert, aber immerhin 12 Leistungspunkte einbringt.
Der Workload in der Biologie hat sich etwas anders: Dort musste zwar im Seminar „Heil- und Giftpflanzen“ ein eigenes Heilpflanzenbuch angelegt werden, welches Infos zu 50 Heilpflanzen Deutschlands enthielt (etwa 100 Seiten), jedoch war dies mit regelmäßiger Arbeit gut zu Schaffen und im Vergleich zum Geo-Workload gering. Ebenso hatte ich auch schon ein Mal für 3 LP ein 45-minütiges Referat halten müssen, allerdings bekam man da von dem entsprechenden Biologie-Dozenten die Literatur und Studien gestellt, sodass man sich die Recherche sparen konnte.
Das Grundproblem liegt, wie ich schon betont habe in der Geographie. Dies liegt unter anderem daran, dass der verantwortliche Direktor in der Vorstellung fehlgeleitet ist, dass man mit Quantität mehr erreich als mit Qualität. Sprich es werden immer längere Hausaufgaben (ja, sowas gibt es hier!!!) aufgegeben und immer anspruchsvollere Kurse ins Pflichtprogramm aufgenommen. Umso ironischer ist dies, dass ein Studiengang, der eigentlich von dem Begriff „Nachhaltigkeit“ geprägt ist, vom Direktor daran gehindert wird, nachhaltig zu lernen. Bulimie-Lernen ist hier leider wirklich das Stichwort und ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich von dem Biologie-Stoff deutlich mehr behalten habe als vom Geographie-Stoff, allein weil man in der Biologie eher dazu angeregt wird, verwandte Themen zu wiederholen und so zu lernen. In der Geo hingegen gilt das Motto „mehr, härter, besser“.

7) Ergänzung zu meiner Lebensweise:
Ich möchte hier zum Schluss nur einmal betonen, dass ich nicht der Stereotyp-Studi bin, der jedes Wochenende sich zwei Mal die Kante gibt und mehr Zeit beim Zocken oder Facebook oder „whatever blows your ship“ verbringt. Die Male, wie oft ich innerhalb der drei Jahre hier in Hildesheim tatsächlich feiern gegangen bin, kann man höchstens auf beiden Händen abzählen, selbst wenn man den einen oder anderen Finger verloren hat und diese Feiern beschränkten sich überwiegend auf Weihnachtsfeier, Sommerfest oder Halloween, welche trotzdem unter hoher Anspannung abliefen. Meine Hobbies, derer wirklich viele sind, sind durch das Studium einfach auf der Strecke geblieben. Leider habe ich auch schon zwei enge Freunde verloren, da sie meinten, ich hätte keine Lust mit ihnen in Kontakt zu bleiben. Meine Eltern, welche 150 km von mir weg wohnen, besuche ich im Jahr auch im Schnitt 6 Male. Meistens zu Weihnachten und die anderen Male wenn die Zeit es in den seltensten Fällen zulässt, nehme aber auch dort dann mein Notebook und Bücher mit, um auch dort weiter produktiv sein zu können. Neben dem Studium gehe ich weder Arbeiten noch gehe sonstigen zeitaufwendigen Beschäftigungen nach und ich wohne nur 15 Minuten von der Uni entfernt, also behaupte ich mal, dass ich an keiner Stelle Zeit sparen kann.

8) Meine Empfehlung:
Die Frage ist ja eigentlich: Muss ich hier noch eine Empfehlung aussprechen? Wie gesagt, man kann dem Studiengang positiv anrechnen, dass er sehr praktisch orientiert ist, allerdings finde ich, dass es eine Frechheit ist, wie extrem hoch der Arbeitsaufwand hier ist. Die Zahlen sprechen meiner Meinung nach für sich, wenn von 43 Leuten nur 4 den Bachelor in Regelstudienzeit schaffen. Vermutlich würde ich auch zu den übrigen 39 gehören, aber als Bafög-Empfänger hat man schlechte Karten.
  • Kleine Uni, praktischer Studiengang, interessante Kurse
  • Kleine Uni, unverschämter Workload

Aktuelle Bewertungen zum Studiengang

4.1
Ines , 16.02.2024 - Umweltsicherung (B.Sc.)
3.4
Leonard , 03.02.2024 - Umweltsicherung (B.Sc.)
3.5
Tanja , 29.01.2024 - Umweltsicherung (B.Sc.)
4.7
Judith , 07.12.2023 - Umweltsicherung (B.Sc.)
3.0
Talisha , 23.10.2023 - Umweltsicherung (B.Sc.)
3.4
Christopher , 22.04.2023 - Umweltsicherung (B.Sc.)
4.0
Sepp , 17.02.2023 - Umweltsicherung (B.Sc.)
4.0
Malte , 28.01.2023 - Umweltsicherung (B.Sc.)
3.9
Kenneth , 01.01.2023 - Umweltsicherung (B.Sc.)
3.0
Christoph , 05.07.2022 - Umweltsicherung (B.Sc.)

Über Robert

  • Alter: 18-20
  • Geschlecht: Männlich
  • Abschluss: Ja
  • Studienbeginn: 2011
  • Studienform: Zwei-Fächer-Bachelorstudiengang
  • Standort: Standort Hildesheim
  • Weiterempfehlung: Nein
  • Geschrieben am: 13.11.2014
  • Veröffentlicht am: 13.11.2014