Nur was für die Werbeagentur

Da mein Abi nicht sehr glanzvoll gelaufen ist und ich unbedingt in Berlin studieren wollte, blieb mir nichts weiter als eine private Hochschule zu wählen. Marketingkommunikation hörte sich spannend, interessant und praxisnah an. 650 € im Monat sind nicht für jeden Peanuts, aber gut, dann halt ein Studienkredit/Bafög oder die Eltern überzeugen, dass es DIE Investition für ihr hoffnungsvolles Karrierekind ist.
Soweit so gut, angenommen wurde glaube ich jeder, der sich beworben hat? Die Aufnahme war auch nicht schwierig, Abinote war egal (-> Hauptsache überhaupt Abi), ein Motivationspapier (ob Text oder etwas kreatives, war auch egal) und dann noch eine persönliche Vorstellungsrunde. Zack, da ging es auch schon los.

Positiv: Die Dozenten sind sehr nett, haben immer Zeit für Fragen und Probleme. Die Klassen sind klein (ca. 25 Leute) und daher ist es kein stures Zuhören sondern viel Interaktives. Es gibt auch nicht nur Klausuren als Bewertungsgrundlage, sondern auch Präsentationen, Praxisprojekte (Filmdreh, Fotos, usw.). Das macht schon viel Spaß und fördert die Gruppenarbeit.

Negativ: Man wird eigentlich komplett für einen Job in der Werbeagentur vorbereitet. Das kann natürlich für viele toll sein, die sich dort sehen. Aber ich (und andere) wollten lieber in einem Unternehmen in der Kommunikationsabteilung arbeiten und der Bezug dazu war nicht sehr oft zu erkennen.
Kommunikationskonzepte schreiben, Claims und Slogans ausdenken, usw.
Aber was macht man, wenn man sich auf einen Job bewirbt, der Rechnungswesen voraussetzt? Nichts, denn in den 6 Semestern haben wir keine Zahlen zu Gesicht bekommen. Einmal Budgetierung, was aber auch darin bestand, wie viel eine Anzeigenschaltung in der Brigitte kostet -> Hallo Werbeagentur
Großes Problem ist auch der weitere Bildungsweg fernab der dab. Einen Master zu finden auf einer öffentlichen Hochschule wird da schon mal zum Suchen der Nadel im Heuhaufen. Zu wenig BWL, Rechnungswesen, Controlling wird einem entgegengebracht.

Zum Organisatorischen:
Es gibt ein Intranet, sehr gut. Da werden Noten veröffentlicht, Dozenten laden Arbeitsmaterial hoch usw.
Aber darin auch reinzuschreiben, ob ein Dozent krank ist und die Vorlesung ausfällt war wohl nicht machbar. Ärgerlich, wenn man bis zu eine Stunde Fahrtweg hat.
Oder plötzliche Raumwechsel: Präsenation der Abschlussprüfung im Gebäude der Designer (Marketingkommunkation und Kommunikationsdesign sind in unterschiedlichen Straßen), vor Ort ist niemand da. Kein Zettel, keine Nachricht. Erst auf Nachfragen im Sekretariat dann die Mitteilung, dass die Prüfung im anderen Gebäude stattfindet. Stress pur.

International: Nein. Alle Vorlesungen sind auf Deutsch. Ein Kurs beinhaltete eine englische (aber nicht in die Bewertung einfließende) Präsentation. 'English for Advertising' konnte man ein Semester freiwillig belegen.

Also insgesamt würde ich den kreativen Köpfen, die eh schon wissen, dass sie am liebsten in einer Werbeagentur arbeiten möchten, diesen Studiengang empfehlen.
Aber Personen, die noch nicht genau wissen, in welchem Bereich der Kommunikation sie später einmal arbeiten möchten, doch eher eine öffentliche Uni/FH nahelegen mit BWL/Kommunikationswissenschaften und die Spezialisierung dann erst im Master vorzunehmen.