Anders, als man denkt

Ich studiere jetzt im dritten Semester KulT mit dem Kernfach Sprache und Kommunikation. Angefangen hatte ich das Studium im Corona-Wintersemester 2020/21 in der Hoffnung, so ungefähr Inhalte der Kommunikationswissenschaft zu behandeln (also wie man es z. B. an der FU im Publizistik-Bachelor machen würde), mit einer Beimischung von Sprachwissenschaft – weil ich jemand bin, der sich für Sprache und so weiter interessiert. Das wird auch auf die meisten zutreffen, die sich für den Studiengang bewerben (möchten), deshalb werde ich jetzt folgend sehr ausführlich mein Leid klagen.
Zum Kernfach: Im ersten Semester hat man viele Einführungsveranstaltungen für die Linguistik und ihre verschiedenen Teilbereiche, da merkt man schnell, was einem Spaß macht und was nicht. In den nächsten Semestern macht man dann viel in Richtung Semantik und Pragmatik (mMn wirklich interessant und auch cool, da man sein Wissen vor relativ praktischen Hintergründen anwenden muss) und – zur Freude aller – fantastische Lehrveranstaltungen, in denen man mit Sprachverarbeitungsprogrammen (meist PRAAT) selbst eingesprochene Sätze auseinandernimmt und auf verschiedene Parameter misst. Das wird zunehmend komplizierter und ist irgendwie nicht genau das, was man sich vorgestellt hat, aber ... Technische Uni eben. Denkt dran, wenn ihr euch bewerbt. Weiterhin gibt es dann noch Seminare, in denen man programmieren muss (yay!) und noch andere spaßigere Dinge, wie beispielsweise Statistik (Doppel-yay!). Aber allzu schwer ist das Ganze trotzdem nicht, es ist gut machbar insgesamt. Dennoch sollte man beachten: Kommunikationswissenschaft an der TU Berlin ist nicht per se Kommunikationswissenschaft, sondern eigentlich "Speech Communication", in welches der Fachbereich auch demnächst unbenannt werden soll.
Zum Bereich Interdisziplinäre Studien: Wer sich das Modul IS1 ausgedacht hat, gehört bestraft. IS1 belegt man in den ersten beiden Semestern und es gliedert sich in eine Lehrveranstaltung im Wintersemester, die noch okay, aber ein bisschen unnötig ist, und eine im Sommersemester. Bei der im Sommersemester schreibt man dann in einer Gruppe bestehend aus Studierenden aller KulT-Bachelorstudiengänge eine Arbeit in einem Fachgebiet, das man sich nicht aussuchen kann und welches man auch nicht weiter behandelt. Besagte Fachgebiete sind nämlich NICHT nur die, die man später für die IS-Wahlmodule belegt, mit viel Glück darfst du dann mit absolut unmotivierten und extrem inkompetenten "Ich rauche mit meinem Vermieter jeden Monat einen Joint"-Gruppenmitgliedern der Studiengänge Philosophie oder Kunstwissenschaft eine Arbeit im Gebiet Antisemitismusforschung oder Literaturwissenschaft schreiben. Nicht eine/r meiner Kommilitonen*innen hatte keine Probleme mit ihrer Gruppe (mich eingeschlossen), einige sind rausgedroppt und hoffen auf mehr Glück bei den neuen Erstis im nächsten Jahr. So viel also dazu. Die anderen IS-Module, von denen man drei machen muss, konzentrieren sich auf bestimmte Fachbereiche in den Geisteswissenschaften, da hat man die Wahl zwischen einigen interessanten und einigen sterbenslangweiligen Themen. Letztlich muss man noch einen Teil aus einem anderen Studienbereich ablegen, also aus den Natur-, Wirtschaft-, ... -wissenschaften.
Dann gibt es noch die Bereiche Freie Wahl und Berufsorientierung, in denen du so ziemlich machen kannst, was du willst. Du kannst es mit unnötigem Kram vollstopfen, um deine Punkte so schnell wie möglich vollzukriegen, du kannst aber auch die Möglichkeit für ein Praktikum oder einen Erasmus- oder generell Auslands-Aufenthalt nutzen – also etwas Sinnvolles machen. Es ist dir überlassen (wie so ziemlich alles im Studium). Anzumerken ist insgesamt, dass du dir fast alles selbst zusammenstellen und "erkämpfen" musst, du wirst generell nicht anhand eines festen Studienplans durch deine bestimmten Inhalte geführt.
Die Dozierenden und auch die Orga-Leute von der Fakultät I sind alle super lieb und verständnisvoll, mit einigen sehr wenigen Ausnahmen, die blöde Lehrveranstaltungen machen und deine Mails für Wochen ignorieren. Aber die hast du an jeder Uni, von daher. Wenn du Fragen hast (die du definitiv an irgendeinem Punkt haben wirst, weil man absolut nichts checkt an dieser Uni), wird dir in der Regel schnell und kompetent weitergeholfen.
Die Organisation ist unfassbar unübersichtlich. Die Kurse muss man sich über ein Verzeichnis raussuchen (nur damit man weiß, was man belegen muss oder sollte) und sich dann in im Haupt-Verzeichnis dafür anmelden, die Prüfungsanmeldung läuft wieder anders. Außerdem darfst du jeglichen Lehrpersonen für fast alle Module mit irgendwelchen Laufzetteln hinterherrennen, damit sie dir deine Teilnahme und Note absegnen, was sehr viel Freude bereitet.
Ein kurzes Fazit: Es ist okay. Hätte ich nicht den Wahlbereich und die Tatsache in Aussicht, dass man für IS sehr freigestellt ist (möchte beides für einen Auslandsaufenthalt nutzen), wäre ich mir wirklich unsicher, ob ich es weitermachen möchte. Es gibt insgesamt gute und schlechte Aspekte des Studiums, aber meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Ich hoffe, die Bewertung hilft dem ein oder anderen Unentschlossenen weiter. Insgesamt: Man hat auf inhaltlicher Ebene nicht allzu sehr zu kämpfen, aber das Drumherum ist zusammengefasst einfach nur traurig.