Nur Theorie, kaum relevante Praxis. Bereue es

Grundlegend scheint der Fachbereich Informatik im Master sehr breit gefächert zu sein, wodurch für jeden Studieninteressierten eine optimale Mischung der Inhalte, passend zu den jeweiligen Interessen, vertreten sein sollte. In der Realität werden allerdings von den theoretisch ca. 70 Fächern nur um die 10 Stück pro Semester angeboten, die sich meistens alle 2-4 Semester im Turnus wiederholen. Hier sollte man sich vorher informieren, was auch tatsächlich stattfinden wird. Einige dieser Fächer bauen auch auf Bachelor-Fächern auf. Sollte man diese nicht gehört haben, fallen einem diese Master-Fächer umso schwerer.

Der Studiengang ist extrem(!) Theorie-orientiert. In sehr vielen Fächern werden viele Methodiken nur ausdiskutiert und niemals programmiert. Häufig werden auch Lerninhalte vermittelt, die einfach nicht (oder nicht mehr) Arbeits- oder Berufsrelevant sind, wodurch man oft das Gefühl hat "für die Tonne" zu lernen (habe vor dem Beginn mit dem Master bereits 4,5 Jahre Berufserfahrung als Softwareentwickler sammeln können, daher die Erfahrung). Ob man es als sinnvoll empfindet etwas im Studium zu lernen, nur damit man es hinterher auf dem Zeugnis stehen hat, muss jeder für sich entscheiden.

Die Lehrveranstaltungen sind prinzipiell gut durchdacht und bauen thematisch sinnvoll aufeinander auf. Ich habe keine Vorlesung besucht, wo man nicht ohne Fleiß eine gute Note bekommen konnte. Die Dozenten wirken sehr kompetent und verstehen etwas von ihrem Fachbereich. Auch neben den Vorlesungen und Übungen kann man gut in Kontakt treten um Fragen zu stellen, Übungsaufgaben zu diskutieren oder Ähnliches.

Da der Praxisbezug an dieser Uni sehr gering ist, werden sogenannte Projektgruppen angeboten, die jeder Student besuchen muss. Diese Projektgruppen dauern 2 Semester und haben den Zweck den Studenten "Praxiserfahrungen" zu vermitteln, um hinterher im Job nicht komplett bei Null anfangen zu müssen. Hierbei gibt es allerdings auch häufig das Problem, dass diese Projektgruppen oft von Doktoranten oder wissenschaftlichen Mitarbeitern geleitet werden, die selbst niemals in der Industrie tätig gewesen sind. Dabei wird die Praxis nach dem besten Gewissen durchgeführt, was gelegentlich nur das Ausleben der Vorstellungen der Arbeitswelt von den jeweiligen zuständigen Personen bedeutet. Häufiger wurde hier beobachtet, dass Scrum der "heilige Gral" wäre und somit die Antwort auf jede erfolgreiche Teamarbeit sei. Andere Dinge wie z.B. gute Software zu entwickeln entfällt hier völlig. Die Fähigkeit sauberen, qualitativen, wartbaren Code schreiben zu können, wird hier vollkommen ignoriert und absolut nicht gefördert. Jedes Programm wird "hingeschmiert" und muss im Anschluss im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit gut erklärt werden, um als "gut" zu gelten. Ob tatsächlich professionell geschriebener Programmcode vorhanden ist (oder zumindest fortschrittlicher), ist nicht relevant.

Wichtig ist noch, dass man als Master-Einsteiger noch einige Bachelor-Fächer besuchen muss, sollte man vorher woanders studiert haben. In meinem Fall musste ich 3 vorgegebene Bachelor-Fächer besuchen, da ich meinen Informatik-Bachelorabschluss an einer FH gemacht habe. Diese Fächer nachholen zu müssen empfand ich als Zeitverschwendung, da die gelernten Themen hinterher nicht mehr gebraucht wurden.

Insgesamt betrachtet empfinde ich den gesamten Master-Studiengang als nicht geeignet für jemanden, der sich lieber mit der "Ausführung" beschäftigt, anstatt nur über Thematiken zu reden. Daher wäre vermutlich ein Master an einer FH die richtige Wahl für diejenigen. Die TU Dortmund eignet sich vermutlich gut für Personen, die sehr an der Arbeit mit Künstlicher Intelligenz Interessiert sind.