Eine Erfahrung - aber keine gute

Vorweg: Ich studiere seit nun drei Jahren hier in Krefeld. Ich habe lange Zeit versucht, dieser Stadt eine Chance zu geben, doch habe es letztlich aufgegeben. Wichtig ist zu erwähnen, dass die Hochschule in drei Campus aufgeteilt ist. Ich werde im Folgenden über den Campus West sprechen, der Chemie und Design beinhaltet. Ich kann mir vorstellen, dass das Studienleben am Campus Süd oder in Gladbach anders ist.
Mein erster Eindruck der Stadt Krefeld war katastrophal: Nicht nur am Wochenende, sondern vor allem Werktags stehen Scharen von Menschen vor Cafes, Wettbüros, Döner- und Friseurläden und führen laute Gespräche, schmeissen die Kippen in den Weg und spucken vor vorbeigehende Leute. Dass sich die Stadt einst "Samt- und Seidenstadt" nannte, ist am herunterbröckelnden Putz der - von der Bausubstanz ansehnlichen - Häuser nur noch zu erahnen.
Der Campus West besticht durch Unauffälligkeit. Der Geldsegen, der auf den Campus Süd in den letzten Jahren herabregnete, ist dem Campus West verwehrt geblieben. Als Sitzmöglichkeit im Freien dient eine von der Witterung gezeichnete Biergarnitur mit vier Tischen. Das Gebäude ist im biederen 70er Jahre Stil gehalten, die Mensa mit grünlichen PVC-Boden ausgestattet, bei Semesterbeginn wird es schwierig mittags einen Platz zu bekommen. Unter besagter Mensa (richtig gehört: Unter!) befindet sich die Bibliothek. Literatur fürs Studium ist ausreichend vorhanden, doch lernen ist in dieser kaum möglich. Ich kenne zahlreiche Studenten, die in die Bücherei in der Innenstadt flüchten oder direkt 30-40 Minuten zur Heinrich Heine Unibib in Düsseldorf fahren. Da trefft ihr dann vielleicht auch Studenten, mit denen ihr reden könnt. Da die HSNR nämlich eine Pendlerhochschule ist, bleibt kaum ein Student in Krefeld. Studentenleben? Ausser in einem der beiden Wohnheime NICHT vorhanden. Trust me, its true- Hat der denn nur zu meckern, fragt ihr euch? Nein, der Grund weshalb ich geblieben bin und nicht vorzeitig wechselte, war, dass ich mit den Studieninhalten zufrieden war, auch wenn die Praktika in den ersten Semestern etwas chaotisch ablaufen. Es gibt aber auch sehr engagierte, lustige und nette Professoren, die fast immer erreichbar sind, ohne dass man davor eine Email schreiben müsste. Das Studium ist durchaus anspruchsvoll, aber mit Eifer und Selbstdisziplin machbar. Ich habe das Gefühl, etwas gelernt zu haben. Der Praxisbezug ist gerade durch die Dozenten, die zuvor mehrere Jahre in der Industrie arbeiteten, gegeben. Die Ausstattung der Hörsääle erinnert aber eher an Klassenzimmer der Jahrtausendwende, von der Digitalisierung 4.0 kann man nichts spüren. Also: Wenn ihr eine wirklich coole, unvergessene Studienzeit mit angenehmen Leuten in einer attraktiven Stadt haben wollt, macht nicht den gleichen Fehler wie ich. Es ist nicht alles schlecht, aber mit Sicherheit gibt es für ein Chemie-Studium bessere Städte, zumindest bis die Hochschule ihren Ort, aus dem sie hervorgegangen ist, nicht mehr vernachlässigt und frisches Geld zur Verfügung stellt.