Gut, aber fantasielos und unkritisch

Dies ist wahrscheinlich eine allgemeine Kritik an der Bologna-Reform - aber so verschult und durchgeplant hatte ich mir das Studium nicht vorgestellt. Wenig echte Wahlfreiheit, kaum Interdisziplinarität, 30-Stunden-Wochen (ohne Hausaufgaben... Denn ja, für viele Fächer werden allen ernstes benotete Hausaufgaben verteilt)... Den Studis wir ständig auf die Finger geguckt. Eigenverantwortung, -initiative oder gar unabhängiges Denken ist hier nicht gefragt. Man wird an der Hand genommen wie ein Grundschüler und brav mit Augenklappen bis ans Ziel geführt. Die Stoffmenge ist überwältigend und vertreibt selbst dem motiviertesten Studierenden vollständig die Lust an außer"schulischen" Aktivitäten. Hochschulpolitik, ziviles Engagement, Neugierde an fachfremden Veranstaltungen, Hobbies? Nicht in der Regelstudienzeit. Kritisches Denken, wissenschaftliches Arbeiten und allgemein intellektuelle Wachheit und Neugierde sind hier Fremdworte. Sage und Schreibe 2 ECTS wurden einer (außerdem mediokren) "Wissenschaftstheorie und Ethik"-Vorlesung gewidmet. Aus diesem Studiengang kommen 21-jährige kleine desinteressierten, marktbereiten Roboter heraus, à la "is das klausurrelevant?". Doch diese Zustände scheinen wohl bundesweit zumindest in den Naturwissenschaften zu herrschen...

Hier kommt trotzdem noch ein positiver Teil zu Freiburg im spezifischen: Immerhin lässt diese Uni maximal 12 ECTS tatsächlich fachfremder Veranstaltungen zu, in der Form zweier Profilmodule, die man komplett frei auch zum Beispiel aus den Geisteswissenschaften wählen darf. Das ist nicht überall der Fall! Außerdem positiv ist die fast reibungslose Organisation, das absolut liebenswerte Prüfungsamt und Studienkoordinatorin.

Die Qualität der Veranstaltungen ist variabel, aber größtenteils gut. Wirklich schlechte - Zoologie, Wissenschaftstheorie und Ethik - gibt es zwar, sind aber selten, und einige wirklich gute - Botanik, Tierphysiologie - sind auch dabei. Es gibt viele Übungen, die Profs sind ansprechbar, meistens gibt es Tutorate, aber alle Hilfe der Welt verbessert natürlich nicht das Grundproblem der massiven Stoffüberladung, die verhindert, dass man sich ernsthaft mit dem Stoff auseinandersetzt und sich tatsächlich etwas auch langfristig merkt.

Ob die Veranstaltungen interessant sind ist natürlich Geschmackssache, ein kurzer Blick auf die Modulbücher verrät, ob für Einen was dabei ist. Denn diese Modulbücher sind zwar trocken, aber wahnsinnig informativ, und die Module halten, was sie versprechen.

Platzprobleme gibt es keine, die Labore sind gut ausgestattet, der Bio-Campus ganz nett, die Dozenten mit fortschreitendem Studium auch immer engagierter. Der Studienverlauf ist durchdacht und kohärent, aber wie gesagt vollgepackt wie ein Vollzeitjob und etwas fantasielos. Generell ein gutes Biologie-Studium, aber ich bin froh, aus dem Bachelor rauszusein und endlich mit den Großen mitspielen zu dürfen.

Fazit: Macht Spaß, aber nur wenn man nicht in Regelstudienzeit studiert!